Wenn Sie jetzt hören, dass Nicolas Sarkozy die Finanztransaktionssteuer in Frankreich einführen möchte, macht Sie das froh?
Jörg Alt: Jede Situation hat ihre Vor- und Nachteile. Sarkozy hat gesagt, dass er die Finanztransaktionssteuer einführen will, aber sein konkreter Gesetzesvorschlag bleibt doch deutlich hinter unseren Forderungen oder der Vorlage der Europäischen Kommission zurück. Der Vorteil aber ist: Endlich sagt mal jemand, dass er die Steuer einführen möchte.
In Deutschland ist wohl die FDP der Hauptgegner einer solchen Steuer ?
Alt: Sie ist der einzige noch verbliebene Bremser - neben den Banken natürlich. Aber das wundert ja keinen.
Müssen die Kirchen in dieser Diskussion um die Finanztransaktionssteuer mitspielen?
Alt: Also ich bin Jesuitenpater. Ich betrachte mich sehr als Teil der Kirche. Für uns Jesuiten ist klar, dass Glaube allein ohne Gerechtigkeit nichts wert ist, genauso wie Gerechtigkeit ohne Glaube. Und deswegen haben wir uns für das Verbot von Landminen engagiert. Deswegen habe ich mich für die sozialen Rechte von illegalen Migranten eingesetzt, und deswegen setze ich mich für die Transaktionssteuer ein. Ich finde, es wird allerhöchste Zeit, dass man dem Bankensektor etwas Geld für das Allgemeinwohl abverlangt. Dabei geht es allerdings nur um eine Besteuerung von 0,05 Prozent und nicht etwa um den christlichen "Zehnten".
Und nun kommt langsam Schwung in das Thema Finanztransaktionssteuer?
Alt: Von langsam kann überhaupt nicht die Rede sein. Wir haben im Oktober 2009 angefangen und im Dezember 2009 bereits 66.000 Unterschriften unter eine entsprechende Petition an den Bundestag gehabt. Und dann gibt es noch die Parallelbewegungen, die in anderen Ländern entstanden sind. Wenn es eins gibt, was diese Kampagne von anderen unterscheidet, dann ist es ein Erfolg, der uns alle überrascht hat. Ich muss immer lächeln, wenn die Leute auf die Occupy-Bewegung starren. Lassen wir die erst mal zwei Jahre konsequent an einer Sache arbeiten, wie wir es mittlerweile geschafft haben.
Sie setzen sich für eine Steuer gegen Armut ein und wollen, dass die Einnahmen daraus für den Sozialbereich verwendet werden. Geht dieser Aspekt in der aktuellen Diskussion nicht immer mehr unter?
Alt: Ja sicher. Das ist ja eine bekannte Entwicklung im politischen Geschäft: Solange es nicht wehtut, tut man sich leicht mit Bekenntnissen. Sarkozy ist ein klassisches Beispiel. Er hat immer gesagt, dass selbstverständlich Einnahmen aus der Steuer für Entwicklung und Klima verwendet würden. Aber jetzt, wo es ernst wird, will er davon nichts mehr wissen.
"Man soll das Fell des Bären nicht verteilen,
bevor er erlegt ist. "
Und wie wird es in Deutschland sein?
Alt: Man soll das Fell des Bären nicht verteilen, bevor er erlegt ist. Aber wir haben versucht, Wege für die Mittelverwendung zumindest in den Bereichen internationale und nationale Armutsbekämpfung vorzubereiten. Im Bereich der internationalen Armutsbekämpfung haben wir zu einem "Entwicklungspolitischen Konsens" beigetragen. Darin unterstützen 372 Bundestagsabgeordnete das Ziel, dass die Bundesrepublik bis 2015 endlich das 40 Jahre alte Versprechen einlöst, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungspolitik zu verwenden. In diesem Papier steht, dass dieses Ziel nur mit innovativen Finanzierungsinstrumenten erreichbar ist. Wenn die Finanztransaktionssteuer, die ein solches Instrument ist, jetzt kommt, werden wir sagen: Die Steuer ist da, und jetzt löst euer Versprechen ein.
Auf nationaler Ebene der Armutsbekämpfung habe ich eine Städteallianz angestoßen. Unter den Verwaltungskörperschaften haben Kommunen am unmittelbarsten mit den Auswirkungen von Armut zu tun. 15 Städte und Gemeinden, Nürnberg war die erste, gehören mittlerweile der Allianz an und wollen von dem Kuchen der Mittel gegen die Armut etwas herauskriegen. Was uns bisher nicht gelungen ist, ist eine Strategie in der Frage der Maßnahmen gegen Klimawandel und für Umweltschutz.
Und geben Sie nun eine Prognose ab, wann die europaweite Finanztransaktionssteuer kommt?
Alt: Ich habe nie eine Prognose gegeben, ob sie kommt oder wann sie kommt. Aber wir haben jetzt schon wesentlich mehr erreicht, als wir am Anfang uns in unseren kühnsten Träumen auszumalen gewagt haben. Aber es wäre kühn anzunehmen, dass wir auf dieser großen Welle jetzt mühelos durchs Ziel segeln. Dazu ist der Gegner viel zu stark - der Finanzsektor.
Der Nürnberger Jesuit und Priester Jörg Alt hat im Jahr 2009 die Kampagne "Steuer gegen Armut" gestartet. In zweieinhalb Jahren wurden über 171.000 Unterschriften gesammelt. Bei einer eigenen Aktion der bayerischen evangelischen Landeskirche kamen nochmals knapp 67.000 Unterschriften zusammen. Sie alle fordern eine Steuer auf Finanztransaktionen, die Einnahmen daraus sollen für Armutsbekämpfung, Entwicklung und Klimaschutz verwendet werden.