Die Nea-Kirche liegt mitten im Jüdischen Viertel der Jerusalemer Altstadt und findet doch kaum Beachtung. Wer durch die Gitter blinzelt, die das Gelände absperren, kann die Ausmaße nur erahnen. Mit 115 Metern Länge und 57 Meter Breite gehört sie zu den größten christlichen Bauten im Heiligen Land. Doch die Überreste der Kirche aus dem 6. Jahrhundert sind der Öffentlichkeit nicht zugänglich.
"Dieses Gelände ist vernachlässigt und voller Müll", kritisiert "Emek Shaveh", ein Zusammenschluss israelischer Archäologen und Aktivisten, die den Missbrauch von Ausgrabungen für politische Ziele anprangern. Yonathan Mizrachi von "Emek Shaveh" nennt die Ausgrabungen in Jerusalem einseitig und warnt davor, archäologische Funde für politische Ansprüche zu instrumentalisieren. Der Schwerpunkt liege immer auf der jüdischen Geschichte.
Das Jüdische Viertel als historisches Vermächtnis
Der israelische Archäologe Nahman Avigad begann 1969, zwei Jahre nach dem Sechstagekrieg, mit Ausgrabungen im Jüdischen Viertel der Altstadt und entdeckte dabei die Überreste der Nea-Kirche. Daneben stieß er auch auf die Cardo, eine prunkvolle Verbindungsstraße zwischen der Grabeskirche und der Nea-Kirche. Seit Avigad, so scheint es, hat sich auf dem Ausgrabungsgelände jedoch kaum noch etwas getan.
Mizrachi von "Emek Shaveh" vermutet, dass dahinter politische Motive stecken: "Die Archäologie, von der du hörst und die du siehst, formt dein Geschichtsbild." Die Verantwortung für die Ausgrabungen und den Schutz der Funde dürften nicht nur in den Händen einer Seite liegen. Mizrachi wünscht sich eine Archäologie, die Brücken zwischen den verschiedenen Religionen schlägt. "Das Wissen um andere Kulturen darf uns keine Angst machen."
In der Altstadt von Jerusalem ist ein Akteur JQDC. Die 1969 errichtete staatliche Gesellschaft ist für Wiederaufbau und Entwicklung des Jüdischen Viertels zuständig. Dabei handelt es sich um eine Art lange Hand des israelischen Bau- und Wohnungsministeriums. Ziel der Gesellschaft ist nach eigenen Angaben die Entwicklung des Jüdischen Viertels "als nationale, religiöse, historische und kulturelle Stätte mit Betonung ihres Stils und Charakters".
"Wer gräbt, richtet Schaden an"
Rund 16 Jahre dauerte die Wiederaufbau des Jüdischen Viertels. Heute leben etwa 2.500 Juden in Jerusalems Altstadt, die insgesamt fast 35.000 Einwohner hat. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es noch eine jüdische Mehrheit innerhalb der alten Stadtmauern.
Die islamische Stiftung Waqf, "fromme Stiftung", ist für die muslimischen Stätten auf dem Tempelberg zuständig, die unterschiedlichen Kirchen für die christlichen Gebäude. Wer gräbt, richtet oft Schaden an. Auch die Waqf-Stiftung gehöre dazu, räumt Mizrachi ein. Nie zuvor hätten indes intensivere Ausgrabungen stattgefunden als in der Periode, seit Israel die Altstadt kontrolliert.
"Um die jüdische und die christliche Geschichte zu erzählen, muss man graben", sagt er. "Nichts liegt an der Oberfläche." Im Gegensatz zum muslimischen Einfluss, der in der Altstadt noch überall gut erkennbar ist. "Zunächst werden Ausgrabungen vorgenommen", sagt Mizrachi, später werde gebaut. Das Ziel, so seine Vermutung, sei eine Festigung und Ausbreitung jüdischer Präsenz in der Altstadt. "Wir Archäologen bereiten den Boden für die Siedler", befürchtet Mizrachi.
Zweifelhafter Grundstückserwerb neben dem muslimischen Viertel
Ein Sprecher des Jerusalemer Rathauses bestätigte, die Stadtverwaltung erwäge den Bau von Besucherzentren, Ausstellungshallen, einem Versammlungssaal und weiteren Einrichtungen, um die archäologischen Funde auszustellen. Entsprechende Pläne für die "Stadt Davids" würden derzeit geprüft.
Auch hinter dem Herodestor im Muslimischen Viertel soll gebaut werden. Israelische Siedler haben dort Grundstücke gekauft. "Hier sind 30 Wohnungen geplant", berichtet Mizrachi. Die neuen Bewohner würden versuchen, Einfluss auf die ursprüngliche arabisch-muslimische Atmosphäre zu nehmen, fürchtet der Archäologe.
Einen Eindruck von den Folgen "politischer Archäologie" im Heiligen Land verschaffte sich in diesen Tagen auch Entwicklungsminister Dirk Niebel. Der FDP-Politiker besuchte den Ost-Jerusalemer Stadtteil Silwan, in dem es einen aktuellen Konflikt zwischen nationalreligiösen Organisationen und den muslimischen Einwohnern gibt. Die jüdischen Organisationen kaufen - mitunter auf rechtlich zweifelhafte Weise - Grundstücke auf und bauen Häuser für jüdische Siedler. Zugleich gibt es Bestrebungen, Häuser von Palästinensern mit Hinweis auf Ausgrabungen und einen geplanten archäologischen Park abzureißen.