Religionspolizei bald auch in Ägypten?

Religionspolizei bald auch in Ägypten?
In Saudi-Arabien achtet islamische Religionspolizei mit Schlagstöcken darauf, dass die Geschäfte zur Gebetszeit geschlossen sind und die Frauen Kopftuch tragen. Eine Gruppe radikaler Islamisten will dies auch in Ägypten einführen und schockt damit die Tourismusbranche.
04.01.2012
Von Anne-Beatrice Clasmann

Die ersten Ergebnisse der Parlamentswahl in Ägypten deuten auf eine Mehrheit der Islamisten hin. Diese Aussicht beflügelt eine kleine Gruppe radikaler Islamisten: In einigen Landesteilen haben die intoleranten Frömmler schon Friseursalons, "unzüchtig" gekleidete Frauen und Geschäftsinhaber bedroht. Nun wollen sie in Ägypten eine "Religionspolizei" nach saudischem Vorbild gründen. Die für das Land immens wichtige Tourismusindustrie, die im Zuge der dramatischen Umwälzungen im Vorjahr starke Einbußen hinnehmen musste, fürchtet neue Rückschläge.

Wenn der Ruf des Muezzins durch die Hochhaustürme von Riad hallt, werden in der Hauptstadt Saudi-Arabiens eilig die Geschäfte geschlossen. Die bärtigen Männer der "Behörde für die Förderung der Tugend und die Vermeidung des Lasters" scheuchen die Geschäftsinhaber und Verkäufer mit lauten Rufen zum Gebet. Frauen mit lose sitzenden Kopftüchern ermahnen sie barsch: "Bedecke dein Haupt, Frau!"

In den Restaurants der saudischen Hauptstadt achten die islamischen Religionspolizisten, die an ihren kurzen Gewändern zu erkennen sind, darauf, dass keine Männer und Frauen zusammensitzen, die nicht miteinander verwandt oder verheiratet sind. Außerdem überwachen sie das Alkoholverbot, das überall im islamischen Königreich gilt.

Elektroschock-Geräte mit der Aufschrift "Die Scharia ist gekommen"

In Ägypten sieht das bisher ganz anders aus. In Kairo sieht man auf den Straßen neben tief verschleierten Musliminnen auch junge Frauen in engen Jeans. In den Bars der Metropole wird Alkohol aus lokaler und ausländischer Produktion ausgeschenkt. Und am Strand in Scharm al-Scheich liegen Touristinnen im String-Tanga, die niemand fragt, ob sie mit dem Mann, der mit ihnen die Liege teilt, verheiratet sind.

Doch nicht alle Ägypter akzeptieren diese Freiheiten. In den vergangenen Wochen berichteten Augenzeugen und lokale Medien von einer Kampagne religiöser Fanatiker. In Kairo ohrfeigte ein bärtiger Mann eine Frau auf der Straße, weil sie Jeans trug. Einige Herrenfriseure bekamen "Besuch" von Islamisten, die ihnen verbieten wollten, Männer zu rasieren. In Alexandria bedrohten bärtige Männer Geschäftsinhaber, die Weihnachtsbäume aus Plastik verkauften.

In der Provinz Al-Kaljubija drangen junge Männer in Friseursalons ein, wo sie den dort arbeitenden Frauen eröffneten, ihre Tätigkeit sei "nach dem Islam eine Sünde". Die Frauen ließen sich davon jedoch nicht beeindrucken und verprügelten die Eindringlinge. Auf einer ägyptischen Facebook-Seite im Namen der "Behörde für die Förderung der Tugend und die Vermeidung des Lasters" hieß es daraufhin, das nächste Mal werde man Elektroschock-Geräte mit der Aufschrift "Die Scharia (das islamische Recht) ist gekommen" mitbringen.

Tugendwächter sind Alptraum der Tourismusbranche

Die selbst ernannten "Polizisten" werden dem Dunstkreis der neuen islamistischen Partei des Lichts zugerechnet, die in den ersten zwei Wahlgängen für das erste ägyptischen Parlament nach dem Sturz von Präsident Husni Mubarak rund 20 Prozent der Stimmen erhalten hat. Die Parteispitze bestreitet zwar die Behauptung der vermeintlichen Tugendwächter, diese handelten in Übereinstimmung mit der Partei. Das Dementi fiel allerdings etwas halbherzig aus.

Ein Sprecher der Bewegung erklärte: "Die Partei schätzt alle frommen islamischen Handlungen, und dazu gehört auch, dass man zu tugendhaftem Verhalten ermutigt und vom Laster abrät, was im Koran und in den Überlieferungen des Propheten ausdrücklich festgeschrieben ist. Allerdings sind wir der Ansicht, dass diese großartige Pflicht von der gesamten islamischen Nation ausgeübt wird, weshalb man dafür keine Behörde braucht."

Unabhängig davon, wer sich in Ägypten künftig dazu berufen fühlt, über die Tugend der anderen Muslime, der einheimischen Christen und der Urlauber zu wachen - für die Tourismusindustrie ist alleine schon die öffentliche Debatte darüber ein Alptraum.

Die staatsnahe Nachrichtenwebsite "Ahram Online" meldete kürzlich, eine Gruppe namens "Koalition für die Unterstützung des ägyptischen Tourismus" habe die Staatsanwaltschaft aufgefordert, gegen die Gründer der ominösen Facebook-Gruppe zu ermitteln. Denn deren "chaotische" Erklärungen hätten bereits etliche Reiseveranstalter dazu bewogen, Reservierungen rückgängig zu machen.

dpa