Die messianischen Juden
Juden warten noch auf das Kommen des Messias. Messianische Juden erkennen ihn in Jesus ("Jeschuah") und glauben, dass sich in ihm alttestamentliche Verheißungen erfüllt haben. Es gibt verschiedene Strömungen messianischer Juden. Die meisten bleiben bei ihren jüdischen Wurzeln und feiern Feste nach dem jüdischen Kalender. Manche sind sehr stark in ihrer jüdischen Identität verwurzelt, andere (wenige) sind der evangelikalen Strömung des Christentums nahe.
Dementsprechend sind auch christliche Weihnachtsbräuche bei messianischen Juden unterschiedlich stark verbreitet. Jüdisch-orthodox orientierte messianische Juden lehnen das christliche Weihnachtsfest strikt ab, weil das angebliche Datum von Jesu Geburt, der 25. Dezember, nicht biblisch belegt ist. In den meisten messianischen Gemeinden und Familien findet man zu Weihnachten keine geschmückten Tannenbäume oder Geschenke.
"Grundsätzlich werden alle jüdischen Feste von messianischen Juden im Hinblick auf Jeschuah hin gefeiert", erläutert Jurek Schulz, theologischer Referent der Arbeitsgemeinschaft für das messianische Zeugnis an Israel (amzi) und Leiter einer messianischen Versammlung in Hamburg. So feiern sie zum Beispiel Pessach statt Ostern, und erinnern sich dabei auch an das Leben, Sterben und Auferstehen des Messias Jeschuah. "Es kommt nicht auf das Datum an, sondern auf den Inhalt", so Schulz.
"Weihnukka" als jüdisch-christliches Fest
Theologisch und zeitlich ergibt sich eine Verbindung zwischen dem jüdischen Chanukka-Fest und dem christlichen Weihnachtsfest. Chanukka dauert acht Tage und überschneidet sich zeitlich meistens mit Weihnachten. Das Fest erinnert an die Wiedereinweihung des Jerusalemer Tempels im Jahr 165 vor Christus nach dem erfolgreichen jüdischen Makkabäer-Aufstand gegen die Fremdherrschaft der Seleukiden. Im Verlauf des Festes werden acht Kerzen an einem Leuchter angezündet.
Jurek Schulz weist auf die Lichtsymbolik des Festes hin und zitiert aus dem Johannesevangelium, (Kapitel 1, 4-5): "In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat's nicht ergriffen." In den traditionellen Gebeten während des Chanukkafestes gehe es um das Kommen des Messias, erklärt Schulz. Laut Johannes 10, 22-24 fragen die Juden Jesus ausgerechnet beim Tempelweihfest (Chanukka) in Jerusalem: "Wie lange hältst du uns im Ungewissen? Bist du der Christus, so sage es frei heraus." Für Jurek Schulz wird damit "gerade an Chanukka die Messiasfrage und damit die Sehnsucht nach dem Erlöser deutlich."
Manche messianischen Juden in Europa haben eine Symbiose aus Weihnachten und Chanukka gebildet und nennen das Fest spaßeshalber "Weihnukka". Der Form halber wird das jüdische Lichterfest begangen, doch die Gedanken sind während der acht Festtage bei Jeschuah, dem Messias. Jurek Schulz: "Man freut sich dass der Herr Mensch geworden ist. Das Kind in Bethlehem ist ein jüdischer Junge und kein christlicher Junge."
Die Quäker
Die "Religiöse Gesellschaft der Freunde" (Quäker) hat ihren Ursprung im englischen Protestantismus des 17. Jahrhunderts. Die Gläubigen fanden, dass die Kirche von England sich zu weit vom Urchristentum entfernt habe. Ihr Anführer George Fox kam nach einer Zeit der geistlichen Suche zu der Einsicht, dass Gott sich nicht in Sakramenten, liturgischen Formen oder Bekenntnissen zeige, sondern allein in der Innerlichkeit: "Es gibt einen, nämlich Christus Jesus, der deinen inneren Zustand anzusprechen vermag." (zitiert nach TRE 1997, Band 28)
Ein Quäker liebt die Freiheit. Statt sich von religiösen Formen leiten zu lassen, sucht er die direkte Begegnung mit Gott selbst. Das Denken eines Quäkers wird mehr von Fragen als von Antworten geleitet: "Wie spricht Jesus heute zu euch? Folgt ihr Jesu Beispiel der tätigen Liebe? Lernt ihr aus seinem Leben die Notwendigkeit und den Preis des Gehorsams Gott gegenüber? Was bewirkt seine Verbundenheit mit Gott in euch und was fordert sie in euch heraus?" (zitiert aus dem Buch "Quäker Glaube und Wirken" 2002). Die traditionellen Gottesdienste auch der deutschen und österreichischen Quäker sind stille Andachten, in denen die Teilnehmer auf das Wirken des Geistes warten. Die Stille wird nur durch Zeugnisse der Teilnehmer unterbrochen.
Offiziell nur stille Andacht
Im Lauf der Zeit haben sich verschiedene Richtungen des Quäkertums herausgebildet, die sich stark voneinander unterscheiden. Es gibt Quäker in Nord- und Südamerika, in Europa vorwiegend auf den britischen Inseln sowie in Kenia und Taiwan. Die religiöse Ausrichtung reicht von evangelikal-konservativ bis liberal. Ein großer Teil der Quäker praktiziert mittlerweile Gottesdienste mit Amtsträgern und festem Ablauf. Die deutschen und österreichischen Quäker bleiben meistens bei der freien Form der stillen Andacht.
Entsprechend der vielen Strömungen gibt es auch Unterschiede beim Weihnachtsfest. "Es ist in der Tat richtig, dass bei Quäkern offiziell keine Weihnachtsfeste gefeiert werden. Das war in der Vergangenheit so, und ist auch heute größtenteils so", erklärt der Quäkerforscher und Autor Claus Bernet. Nicht nur Weihnachten, sondern auch andere christliche Feiertage werden von traditionellen Quäkern abgelehnt.
Doch im 20. und 21. Jahrhundert sei die Situation differenzierter, so Bernet, "da nicht wenige Mitglieder in gemischtkonfessionellen Familien leben, in denen Weihnachten durchaus gefeiert wird." Dabei gehe es mehr um den sozialen Aspekt, nur in Einzelfällen werde Weihnachten als Fest der Geburt Christi gefeiert. Bernet weist auf die starken regionalen Unterschiede hin: "In amerikanischen Gemeinden gibt es durchaus Pastoren und ein Feiern von Weihnachten, in manchen Gemeinden Kenias dagegen hat das Weihnachtsfest absolut keine Bedeutung."
Die Zeugen Jehovas
An der Weihnachtsfeier in ihrer Firma hat Ingeborg L. aus Göttingen nicht teilgenommen, sondern währenddessen weitergearbeitet. Die bevorstehenden Feiertage sind für sie ein gewöhnliches verlängertes Wochenende, an dem sie dieses Jahr zum Beispiel bei Glaubensgeschwistern eingeladen ist - aber nicht, weil Weihnachten ist. "Wir treffen uns einfach so, ohne Weihnachtsbaum", erklärt sie. Ingeborg L. ist Zeugin Jehovas.
Die Zeugen Jehovas feiern kein Weihnachten und weisen zur Begründung auf die nicht christlichen Ursprünge des Weihnachtsfestes hin: Es ist erst im 4. Jahrhundert eingeführt und wahrscheinlich an die römische Sol-Invictus-Feier angelehnt worden: Die Römer beteten am 25. Dezember den Sonnengott an. Dass Jesus am 25. Dezember geboren worden wäre, lässt sich aus der Bibel nicht ableiten. Das gegenseitige Beschenken zum Weihnachtsfest führen die Zeugen Jehovas ebenfalls auf einen heidnischen Brauch zurück. Wenn Ingeborg L. ein Geschenk oder einen guten Wunsch zu Weihnachten bekommt, dann nimmt sie beides trotzdem als nette Geste an und sagt danke. "Man darf die Leute ja nicht vor den Kopf stoßen", findet sie.
Anne Kampf ist Redakteurin bei evangelisch.de und zuständig für die Ressorts Politik und Gesellschaft.