Von Kabul nach Europa: Die gefährliche Reise der Rosinen

Von Kabul nach Europa: Die gefährliche Reise der Rosinen
Getrocknete Aprikosen und Rosinen aus Afghanistan zählen zu den besten der Welt. Der Export aus dem Land am Hindukusch besteht fast zur Hälfte aus Trockenfrüchten. Doch die Unternehmen haben mit Korruption, Überfällen und anderen Hindernissen zu kämpfen. Es fehlt an Infrastruktur, Straßen und funktionierenden Behörden.
02.12.2011
Von Agnes Tandler

Auf der breiten, staubigen Dschalalabad Road fahren Laster und Militärkonvois. In den kratergroßen Schlaglöchern mitten auf der Fahrbahn sitzen bettelnde Frauen in blauen Burkas. An dieser Ausfallstraße in Kabul steht in einem gesichtslosen Industriegebiet die Fabrik von Asadullah Asis. Er erzeugt Rosinen, eines der wenigen Exportprodukte Afghanistans. Die Wirtschaft des Landes ist von den jahrzehntelangen Kriegen und Konflikten immer noch schwer gezeichnet.

Afghanistan hängt weiter am Tropf der internationalen Gemeinschaft: Mehr als 90 Prozent des 17,1 Milliarden US-Dollar (12,8 Milliarden Euro) großen Staatshaushaltes kommt laut Weltbank von ausländischen Gebern. Die Weltbank warnt vor einem wirtschaftlichen Kollaps, sollte mit dem geplanten NATO-Truppenabzug bis 2014 auch der Geldfluss versiegen. Auf der Bonner Afghanistan-Konferenz am Montag will die internationale Gemeinschaft deshalb weitere Unterstützung zusichern.

Produktion auf ein Drittel gesunken

Rosinen und andere Trockenfrüchte machen fast die Hälfte der gesamten Ausfuhr Afghanistans aus. Ihr Exportwert belief sich 2010 auf etwa 270 Millionen Dollar (202 Millionen Euro). In diesem Jahr hoffe man auf mehr, sagt das Wirtschaftsministerium in Kabul. In den 1970er Jahren produzierte Afghanistan zehn Prozent der Rosinen weltweit. Auch 2011 wird mit 30.000 Tonnen nur etwa ein Drittel der Menge erzeugt wie im Rekordjahr 1981 (86.000 Tonnen).

Afghanistans Landwirtschaft hätte Potenzial: Die Aprikosen, Trauben, Maulbeeren, Melonen und Granatäpfel vom Hindukusch zählen zu den besten der Welt. "Die Bauern produzieren genug", sagt Asis. Aber die Hindernisse sind riesig. An der Jalalabad Road werden die getrockneten Trauben in riesigen Jute-Säcken von den Bauern angeliefert. Doch für den Export müssen die Trockenfrüchte sortiert, kontrolliert, geölt und verpackt werden. Sie brauchen Zertifikate, Stempel, Genehmigungen, Ausfuhr- und Zollpapiere. All das kostet in Afghanistan Zeit - und Geld. Denn Korruption ist allgegenwärtig.

Asadullah Asis spricht nicht gerne darüber. Er beschäftigt 100 Leute in seiner Fabrik und verkauft seine Rosinen ins Ausland - bis 5.000 Tonnen im Schnitt pro Jahr: In die USA, nach Russland, Dänemark, Deutschland und andere Länder, die Tausende Kilometer vom Hindukusch entfernt sind. Es könnten mehr sein, meint Asis. Doch es fehle an Kapazitäten. Und die Logistik bereite ihm Kopfzerbrechen.

Erst mit dem Laster nach Karatschi

Zweieinhalb Monate brauchen die Beeren aus der Lagerhalle an der Dschalalabad Road in Kabul bis an die Grenzen Europas. Afghanistan ist eingeschlossen von hohen Bergen. Das Land hat keinen Zugang zum Meer und es hat keine Eisenbahn. Was verschifft werden soll, muss zunächst mit dem Lastwagen nach in die westpakistanische Hafenstadt Karatschi gebracht werden. Das sind über 1.000 Kilometer auf miserablen und unsichere Straßen, über Berge und Pässe, durch Zollkontrollen und Polizeisperren.

Das ist teuer: Denn es ist nicht ungewöhnlich, dass die Polizei oder der Zoll einen Lastwagen mit Ware stoppt und Geld verlangt, damit der Fahrer weiterfahren kann. Und auch die aufständischen Taliban kassieren Wegegeld, damit die Ladung unversehrt das Gebiet im schwer umkämpften Süden des Landes passieren kann.

15 Tage ist die Fracht im Schnitt bis Karatschi unterwegs. Manchmal kommt sie dort gar nicht an. Denn auf der Route gibt es immer wieder Überfälle und Anschläge auf Transporte. Manchmal ist der Khyber-Pass zwischen Pakistan und Afghanistan tagelang gesperrt, weil Taliban Nachschub-Konvois der NATO für die ausländischen Truppen in Afghanistan angegriffen haben. Asis wünscht sich einfachere Transportmöglichkeiten. Der Luftweg ist für die Rosinen aber noch zu teuer.

epd