Terroristen oder nicht: Vor Gericht gehören sie alle

Terroristen oder nicht: Vor Gericht gehören sie alle
Das deutsche Bild von Terrorismus ist vor allem geprägt durch die Al-Qaeda-Anschläge vom 11. September 2001 und die Morde der RAF in den 70er Jahren. Rechtsextreme Anschläge wie Anfang der 90er Jahre in Hoyerswerda, Rostock, Mölln und Solingen galten nicht als Terrorismus, vielmehr als die Verbrechen von Einzeltätern. Die drei Neonazis der "Zwickauer Zelle" handelten deutlich organisierter, auch wenn sie ihre Taten nicht propagandistisch nutzten.

Seit dem 11. September 2001 denken die Medien und die Menschen beim Stichwort "Terrorismus" vor allem an bärtige Männer mit Turbanen, die sich in afghanischen Berghöhlen verschanzen und von dort den gewaltsamen Untergang der westlichen Welt planen.

In Erinnerung ist den Deutschen auch noch der Terrorismus von links durch die Rote Armee Fraktion in den 70er Jahren. Sie töteten gezielt politische Gegner und finanzierten ihr Leben im Untergrund durch Banküberfälle. Ihre extremen politischen Überzeugungen legten sie in seitenlangen Manifesten dar.

Nun kamen rechtsextreme Verbrechen ans Licht, die ebenfalls direkt mit dem Label "Terrorismus" belegt wurden. Die Neonationalsozialistin Beate Z. hat zusammen mit zwei Männern den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) gegründet. Die drei stehen im Verdacht, zwischen 2000 und 2007 acht Türken, einen Griechen und zwei deutsche Polizeibeamte getötet zu haben, und mindestens einen Bombenanschlag mit 22 Verletzten, die meisten davon Türken, verübt zu haben.

Dringender Verdacht einer "terroristischen Vereinigung"

Handelt es sich bei der Gruppe also wirklich um die "Braune Armee Fraktion", wie der "Spiegel" reißerisch titelte? Ihr Weg – Leben von geraubtem Geld, Morden aus dem Untergrund – weist durchaus Parallelen zur RAF auf. Deutsche Politiker wie der Hamburger Innensenator Michael Neumann (SPD) waren schnell mit dem Label "Terrorismus" bei der Hand. Nicht Schwerkriminelle, nicht Mörder – Terroristen.

Es ist eine ganz ähnliche sprachliche Eskalation wie im Kampf gegen Terrorismus, der sprachlich auch zu einem "Krieg" geworden ist, dem "War on Terror". Und im Krieg gelten andere Regeln. Dieser Krieg gegen den Terror hat die Regeln der Polizeiarbeit verändert und die Regeln des Rechtsstaates und der Menschlichkeit zumindest teilweise ausgehebelt.

Die Regeln der Menschlichkeit ausgehebelt haben aber auch diese drei Neonazis, die mindestens 11 Menschen getötet haben. Und sie haben es wohl nicht allein getan. Hinter der NSU steht – darauf deuten jedenfalls die Ermittlungen hin – mindestens noch ein Unterstützer. Beate Z. ist "wegen des dringenden Verdachts der Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" verhaftet worden. Im Strafgesetzbuch steht in §129a, Bildung terroristischer Vereinigungen: "(1) Wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) […] zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft."

Egal ob Terroristen oder nicht: Verbrecher sind sie alle

Beate Z. und ihre Mittäter haben zwar kein Manifest in die Welt posaunt, ihre Taten nicht als öffentliches Gewaltmal einer Umsturzpolitik ausgezeichnet, so wie Terroristen das üblicherweise tun. Sie haben offenbar gezielt und ideologisch motiviert gemordet, die Öffentlichkeit damit aber nicht terrorisiert wie die RAF damals. Denn niemand wusste, dass hinter den Morden eine rechte Gruppe steckte, auch nicht die Polizei.

Das macht ihre Verbrechen aber nicht weniger grausam, menschenverachtend und schlimm. Die Überlebenden der Gruppe gehören vor Gericht gestellt, damit der Rechtsstaat an ihnen demonstrieren kann: Schwerverbrecher wie die drei rassistischen Mörder aus Zwickau werden verurteilt. Egal, ob man sie nun Terroristen nennt oder nicht.


 

Hanno Terbuyken ist Redakteur bei evangelisch.de und schreibt das Blog "Angezockt".