Eines kann man sich schon mal merken: Nach der Synode ist vor der Synode, manchmal ist sogar schon während der Synode vor der Synode. Superintendent Christoph Pistorius betritt als einer der ersten den großen Saal des Magdeburger Maritim-Hotels, in dem zur Stunde die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ihr jährliches Treffen abhält. Es ist zwanzig vor neun, noch sieht der Saal ziemlich verwaist aus.
Im Hintergrund üben die so genannten Synoden-Bläser mit ihren Trompeten und Posaunen für die Andacht, mit denen das Kirchenparlament seine Beratungen beginnt. "Und, gut geschlafen?" - "Kurz", sagt Pistorius. "Ich musste noch einiges für die Kreissynode vorbereiten." Das Parlament des Evangelischen Kirchenkreises Trier tagt bereits wieder am kommenden Wochenende, nur zwei Tage hat Pistorius ohne Dauer-Sitzung. So ist nach der Synode vor der Synode.
"Heilsame Besinnung auf Christus als Grund des Glaubens"
Immer mehr Synodale strömen aus der Hotel-Lobby in den Saal. Christoph Pistorius setzt sich auf Platz F2. Die Versammlung beschäftigt sich an diesem Morgen mit ihrem Schwerpunktthema "Mission". Es geht darum, wie die Kirche mit ihren Angeboten zu den Menschen kommt und wie sie dabei besser werden kann. 126 Vertreterinnen und Vertreter aus 22 evangelischen Gliedkirchen diskutieren und entscheiden noch bis Mittwoch, 9. November, über die Geschicke der EKD.
Christoph Pistorius (Bild links, Foto: Urban) ist der einzige Superintendent der Evangelischen Kirche im Rheinland unter den Bundesvertretern. Der 49-Jährige ist als stellvertretender Vorsitzender des Haushaltsausschusses ein Spezialist für die abstrakten, aber wichtigen Dinge des kirchlichen Leitungs-Geschäfts: Geld, Strukturen, Verwaltung.
Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister bringt den Entwurfs-Text für die Kundgebung, ein kirchliches Programmpapier, zum Thema "Mission" in das Plenum ein. Er macht deutlich, dass es beim Thema Mission nicht um eine "christliche Motivationsstrategie" gehe und auch nicht um die "Rekrutierung neuer Kirchenmitglieder". Mission sei vielmehr eine "heilsame Besinnung auf Christus als Grund und Gegenstand des Glaubens".
Christliche Mission spüre sowohl "ihrem eigenen Herzschlag" nach, aber nehme gleichzeitig auch "offen" wahr, was Menschen ihr zu sagen haben und was die Gesellschaft heute bewege. Es folgt die Aussprache, viel Dank und einige Repliken, dann ist erst mal Mittag. Bereits auf der mittäglichen Pressekonferenz sieht sich Bischof Meister mit Vorhalten konfrontiert, das Papier sei irgendwie zu "depressiv", was er entschieden ablehnt.
"Gutes Thema zur richtigen Zeit"
Christoph Pistorius findet, die Beschäftigung mit "Mission" sei in jedem Fall ein gutes Thema zur richtigen Zeit. "Das bewahrt uns bei allen Reformdiskussionen, nur um uns selbst zu kreisen", erklärt der leitende Theologe des Kirchenkreises Trier. "Unser Auftrag ist nach außen gerichtet", so Pistorius weiter. Er halte es für einen guten und Erfolg versprechenden Ansatz, auf die Hemmnisse des kirchlichen Außendienstes zu schauen.
"Was hindert's, dass ich Christ werde?", fragt denn auch die Kundgebung mit den Worten der biblischen Figur des "Kämmerers aus Äthiopien", von dem im Neuen Testament berichtet wird, dass er sich ganz spontan zum Christentum bekannte und Taufen ließ.
"Wir müssen schauen, wo stehen wir selbst auf der Bremse, ohne gleich alle Bemühungen um eine einladende Kirche schlecht zu machen", sagt Christoph Pistorius. Und so kommt dem Superintendenten bislang in dem Kundgebungs-Entwurf zum Schwerpunktthema etwas noch zu kurz, was der Theologe wie folgt ausdrückt: "Gelingen ist Geschenk." Will meinen: es liegt eben nicht alles in den Händen des kirchlichen Bodenpersonals, was manchen übereifrigen und überforderten Pfarrer entlasten mag.
Die Ergebnisse in die Gemeinden tragen
Die Synodalen zeigen sich in den Plenumsverhandlungen, die am Nachmittag fortgesetzt werden, eifrig darin, ihre Einsprüche und Ergänzungen vorzutragen; die weitere Debatte um Einzelheiten wird es erst in Ausschuss-Sitzungen geben, bei denen die Mitglieder die leidliche Aufgabe haben, die vielen unterschiedlichen Stimmen zu bündeln - und einen hoffentlich mehrheitsfähigen Schlusstext für die verschiedenen Anträge vorzulegen. Was auch immer dabei rauskommt, die Impulse zum Thema "Mission" will Superintendent Pistorius in seinen Kirchenkreis tragen und weiter bearbeiten. Zum einen thematisch, indem sich Pfarrkonvente, Presbyterien und Studientage an Fragestellungen abarbeiten, die die Bundes-Kirchenversammlung aufgeworfen hat. "Ich möchte die Lust zum Austausch wecken", erzählt Pistorius.
Zum anderen sei es an den Gemeinden und Gemeindeleitungen, die konkrete Gestalt einer "Kirche auf Sendung" zu entwickeln. "Einen Masterplan kann es dabei nicht geben, dafür aber passgenaue Angebote in den doch sehr unterschiedlichen Gemeinden und Regionen unseres Kirchenkreises", erklärt der Superintendent.
Als gute Beispiele nennt Pistorius Angebote zur Taufe und Glaubenskurse, die verstärkt und zum Teil schon längst angeboten würden. Was dem Superintendenten dabei wichtig ist, fasst er unter dem Stichwort "Nachhaltigkeit" zusammen. Es bringe überhaupt gar nichts, wenn sich jemand taufen lasse oder einen Kurs besuche und werde anschließend von der Kirche allein gelassen. "Mission allein reicht nicht", sagt Pistorius: "Wir müssen als Kirche dauerhaft Interesse an dem Menschen zeigen."
Die Synode ist ein "Pool guter Ideen"
Kurz nach zehn Uhr abends ist das lange Sitzen zu Magdeburg erst mal zu Ende, und die Kirchenvertreter nippen ein Glas Wein in der Hotel-Lobby, das der Evangelische Arbeitskreis der CDU ausgegeben hat. Die Empfänge sind der angenehme Teil der Synode, und mögen vielleicht ein bisschen entschädigen - morgen ist übrigens die SPD dran. Es fragt sich aber dennoch, warum einer diese oft zeitraubende und mühsame Arbeit auf sich nimmt, obwohl er auch daheim in seinem Kirchenkreis genug zu tun hat.
Superintendent Christoph Pistorius begründet das so: "Es ist eben echt evangelisch, dass sich alle kirchlichen Ebenen durchdringen und überall einbringen." Außerdem seien die Tagungen der EKD-Synode immer eine willkommene Fortbildung, die letztendlich auch den Christen an Mosel, Hunsrück und Eifel zugutekäme. "Ich begreife das hier als einen Pool guter Ideen". Und was er aus Magdeburg mitnehme, das werde er der heimischen Kreissynode als erste erzählen. Nach der Synode ist eben vor der Synode.
Christoph Urban ist Pfarrer zur Anstellung in Trier.