Papst beklagt in Assisi die "Entstellung" der Religion

Papst beklagt in Assisi die "Entstellung" der Religion
Papst Benedikt XVI. hat beim interreligiösen Friedenstreffen in Assisi "voller Scham" die Anwendung von Gewalt im Namen des Christentums eingestanden. In Anwesenheit von rund 300 Vertretern unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften beklagte das Oberhaupt der katholischen Kirche in der Basilika Santa Maria degli Angeli eine "Entstellung" der Religion, die zu ihrer Zerstörung beitrage.

Am 25. Jahrestag des ersten Friedenstreffens von Assisi kritisierte der Papst, dass noch immer der Einsatz von Waffen im Namen der Religion gerechtfertigt werde. Gleichzeitig habe das "Nein zu Gott" Grausamkeiten und eine Maßlosigkeit der Gewalt hervorgebracht, die erst möglich geworden seien, weil der Mensch allein sich selbst zum Maßstab genommen habe. "Die Schrecknisse der Konzentrationslager zeigen in aller Deutlichkeit die Folgen der Abwesenheit Gottes."

Knapp 70 Jahre nach dem Ende der Naziherrschaft sorgt der Papst sich nach eigenen Worten um eine "Verwahrlosung des Menschen, mit der sich ein geistiger Klimawechsel lautlos und umso gefährlicher vollzieht". Das Verlangen nach Glück sei zu einer "hemmungslosen, unmenschlichen Begierde" geworden. In diesem Klima sei Gewalt zur Selbstverständlichkeit geworden, die ganze Generationen von Jugendlichen zerstöre.

Kein Ende der Spannungen durch den arabischen Frühling

Der anglikanische Erzbischof von Canterbury, Erzbischof Rowan Williams, betonte in Assisi die "leidenschaftliche Entschlossenheit" der Glaubensgemeinschaften zum gemeinsamen Einsatz für Frieden. Die aktuellen Herausforderungen seien so umfassend, das keine Religion allein den Anspruch erheben könne, über die nötigen Ressourcen zu verfügen. Williams beklagte die "Dummheit einer noch immer von Angst und Misstrauen besessenen Welt", die in ihr Sicherheitsdenken verliebt sei.

Das Ehrenoberhaupt der orthodoxen Kirchen, Patriarch Bartholomäus I., beklagte, die Umstürze in arabischen Ländern hätten nicht zu einem Ende der religiösen Spannungen geführt. Christen drohten im gesamten Nahen Osten immer weiter ausgegrenzt zu werden. Der Generalsekretär des Weltkirchenrates, Olav Fykse Tveit, wies bei dem Friedenstreffen auf die hohe Jugendarbeitslosigkeit weltweit als eine der Ursachen für bewaffnete Konflikte hin. Damit werde eine ganze Generation aufs Spiel gesetzt.

Gebetet wird in getrennten Räumen

Als Vertreter des Judentums bezeichnete der isarelische Rabbiner David Rosen Frieden als religiöse Grundvoraussetzung für die von Juden und Christen gleichermaßen erhoffte Erlösung. Der Sprecher der auf die Yoruba zurückgehenden Glaubenstraditionen, Wande Abimbola, forderte die Anerkennung von Naturreligionen als Voraussetzung für Völkerversöhnung und Frieden.

Am Nachmittag wollten die Religionsvertreter in der Franziskusbasilika feierlich ihr Engagement für den Frieden bekräftigen. Vor genau 25 Jahren hatte Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. zum ersten interreligiösen Friedenstreffen nach Assisi eingeladen. Damit hatte er weltweites Aufsehen erregt und seine moralische Autorität weit über die Grenzen der katholischen Kirche hinaus gestärkt. Konservative Kritiker, zu denen auch der damalige Kardinal Joseph Ratzinger gezählt wurde, warnten hingegen vor einer Vermischung der Religionen. Deshalb sollte diesmal in getrennten Räumen gebetet werden.

epd