Filmkritik der Woche: "Atemlos" von John Singleton

Filmkritik der Woche: "Atemlos" von John Singleton
Flucht zu sich selbst: In dem Actionthriller "Atemlos" schickt John Singleton den "Twilight"-Star Taylor Lautner auf eine rasante Verfolgungsjagd mit Kugelfeuer und Gefühlsverwirrung.
11.10.2011
Von Martin Schwickert

Actionfilme richten sich auch und vor allem an ein junges Zielpublikum, ihre Helden gehören jedoch meistens der Generation Ü30 an. Nun verpasst John Singletons Atemlos dem Genre eine Frischzellenkur, indem er einen jugendlichen Helden als schlagkräftige Hauptfigur in eine klassische Ich-gegen-den-Rest-der-Welt-Story implantiert.

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Taylor Lautner, der als "Twilight"-Werwolf Kristen Stewart auf Armen getragen und sich damit eine solide Teen-Fanbasis erarbeitet hat, spielt hier den Highschool-Absolventen Nathan. Der junge Mann hat eine Vorliebe für Gefahrensituationen und fühlt sich bei Tempo 120 auf der Kühlerhaube liegend erst richtig wohl. Nach durchzechter Nacht wird er vom Vater als Sparringspartner rangenommen, der Generationskonflikt im Kickbox¬kampf ausgetragen – mit einer Härte, die bereits feine Risse in der Familiennormalität sichtbar macht. Wenig später gerät der Draufgänger dann erst recht ins Schleudern, als er sein Foto auf einer Internetseite für vermisste Kinder entdeckt und erfährt, dass der Mann und die Frau, die ihn aufgezogen haben, gar nicht seine Eltern sind.

Viel Zeit zur Aufklärung der Familienverhältnisse bleibt nicht. Denn schon wenig später dringt Schurkenkommando ein, fällt über Nathan her, erschießt Vater (Jason Isaacs) und Mutter (Maria Bello) und sprengt das Haus in die Luft. Nur knapp kann Nathan mit seiner Noch-nicht-Freundin Karen (Lily Collins) entkommen, und es beginnt ein halsbrecherisches Dauerfluchtunternehmen, in dem sich die Herren der CIA ebenso als kompetente Verfolger profilieren wie die Söldnertruppe eines serbischen Spionage-Freelancers. Dabei geht es um brisante Namenslisten von amerikanischen Doppelagenten, die Nathans leiblicher Vater angelegt hat, und natürlich um traumatische Erinnerungen, die aus den Seelentiefen des verlassenen Geheim¬agentensohnes an die Oberfläche drängen.

Auf digitalen Schnickschnack wird verzichtet

Auch wenn Singleton ("Boyz n the Hood", "2 Fast 2 Furious") mit seinem Posterboy in der Hauptrolle das junge Publikum direkt vor der Haustür abholt, bleibt er in seinem Inszenierungsstil der alten Actionfilmschule treu. Hier wird auf digitalen Schnickschnack verzichtet und in den zahlreichen Stunt-Sequenzen noch ehrlich gearbeitet. Der dynamische Erzählfluss und das klassische Fluchtmotiv halten das Publikum bei der Stange. Die Story, die zwei Teenager allein gegen den Rest der Erwachsenenwelt antreten lässt, bietet genug Identifikationspotenzial, um über so manche Schwäche in der Logik des Plots hinwegzuhelfen.

Taylor Lautner präsentiert sich auch hier als surreal anmutende Mischung aus Jüngling und Muskelmann und zeigt alle dem Publikum bekannten Facetten seiner Schauspielkunst. Als Actionfigur in einem soliden Genrefilm erfüllt er tapfer seine Vertragsbedingungen. In den Szenen, in denen tiefere Emotionen wie Trauer, Gefühle von Verlust und Verlassensein abgefragt werden, bleibt seine Performance eher blass. Dafür verleiht die stilvoll alternde Sigourney Weaver als unorthodoxe Psychotherapeutin dem Film für ein paar kurze Momente besonderen Glanz.

USA 2011. R: John Singleton. B: Shawn Christensen. Mit: Taylor Lautner, Lily Collins, Alfred Molina, Jason Isaacs, Maria Bello, Sigourney Weaver. L: 100 Min. FSK: 12.

epd