Schneider wünsche sich, dass der Papstbesuch auch zu einer neuen Wertschätzung Martin Luthers durch die katholische Kirche führt, sagte Schneider im epd-Gespräch. Fortschritte erwartet der Repräsentant der 24 Millionen evangelischen Christen auch bei der Zulassung evangelischer Ehepartner zur katholischen Eucharistiefeier.
Herr Ratsvorsitzender, in ein paar Tagen kommt Papst Benedikt XVI. nach Deutschland. Was können die Menschen in Deutschland, was können Protestanten und Katholiken vom Papst erwarten?
Nikolaus Schneider: Zunächst einmal lenkt dieser Besuch die Aufmerksamkeit auf den christlichen Glauben und die Botschaft des Evangeliums. Das ist uneingeschränkt positiv zu bewerten. Ansonsten werden die meisten Menschen wohl gespannt sein, was der Papst zu aktuellen Fragen der Zeit zu sagen hat. Hier sind sicher an erster Stelle die Fragen zum Zusammenhalt Europas zu nennen, die Fragen von sozialer Gerechtigkeit und der Bedeutung des christlichen Glaubens in unserer Welt. Protestanten und Katholiken in Deutschland erhoffen sich von Papst Benedikt XVI. neue ökumenische Impulse, die unser gemeinsames Zeugnis für Jesus Christus und die befreiende Kraft des Evangeliums in unserer Gesellschaft stärken. Und manche katholischen Geschwister erhoffen sich sicher auch klärende und versöhnende Worte zur angespannten innerkatholischen Situation.
Die EKD-Delegation trifft den Papst am 23. September im Augustinerkloster in Erfurt, in dem Martin Luther als Mönch lebte. Sie haben dafür geworben, Luther als Scharnier zwischen beiden Kirchen zu begreifen. Kann die Begegnung an diesem geschichtsträchtigen Ort dazu beitragen?
Schneider: Ich hoffe sehr, dass wir in Erfurt einen klaren Akzent setzen, der deutlich macht, dass uns mehr verbindet als uns trennt. Der besondere Ort wird sicher dazu beitragen. Wir begegnen uns an dem Ort, an dem Martin Luther in den Augustinerorden aufgenommen wurde und seine erste Messe feierte, insofern ist das Augustinerkloster in vielerlei Hinsicht ein symbolträchtiger Anknüpfungspunkt für Gemeinsames. Heute liegt Erfurt in einer Region Deutschlands, in der nur noch ein Fünftel der Bevölkerung den beiden großen christlichen Kirchen angehört, das ist für die evangelische wie für die römisch-katholische Kirche eine große Herausforderung. Wir können ihr nur gemeinsam begegnen.
Sie haben den Papstbesuch im Land der Reformation als großes ökumenisches Ereignis gewertet und den Wunsch geäußert, gemeinsame ökumenische Schritte zu erörtern, die sich mit dem Reformationsjubiläum 2017 verbinden ließen. Was wären aus Ihrer Sicht echte Fortschritte?
Schneider: Ich wünschte mir, dass der Besuch des Papstes zu einer neuen Wertschätzung Martin Luthers auch im Katholizismus führen könnte. Die römisch-katholische Kirche könnte Martin Luther als einen Lehrer der Theologie entdecken, der auch für ihre Kirche sehr wichtig geworden ist. Das schafft der Erkenntnis mehr und mehr Raum, dass Martin Luther die beiden Kirchen erheblich mehr verbindet, als dass er sie trennt. Und ich hoffe auf einen wertschätzenden Blick auf die gemeinsame Geschichte auch der vergangenen fünf Jahrhunderte. Dass die Trennung nicht nur als Abspaltung, sondern auch als Bereicherung empfunden wird. Dann könnten wir auch zusammen mit unseren römisch-katholischen Geschwistern die nächsten Jahre der Lutherdekade auf dem Weg zum Reformationsjubiläum 2017 bedenken und gestalten. Natürlich ist auch die Frage bedeutsam, ob Paare in konfessionsverbindenden Ehen von Seiten der römisch-katholischen Kirche die Möglichkeit bekommen, gemeinsam Eucharistie zu feiern. Das ist eine Frage, die bald gelöst werden sollte! Ich war lange genug Pfarrer in einer Gemeinde, um zu wissen, wie sehr manche Paare unter den jetzt geltenden Regelungen leiden.