Zwei Stiftungen in Deutschland helfen den Gemeinden: Die von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) getragene Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler in Deutschland ("Stiftung KiBa") und die Stiftung Denkmalschutz, die auch nicht-kirchliche Denkmäler fördert. Am Tag des Offenen Denkmals (immer am 2. Sonntag im September) kann jeder sehen, was die Stiftungen leisten.
"KiBa Kirche des Monats September" ist zum Beispiel die mittelalterliche Kirche Sankt Marien in Poseritz auf der Insel Rügen. Das Besondere an dieser Kirche: Sie wird durch Efeu vor dem Verfall gerettet. Das Backstein-Mauerwerk aus dem 14. Jahrhundert ist durch Wind und Wetter an der Küste so feucht geworden, dass sich darin die Grünalge festgesetzt hat. Das Efeu an den Außenwänden soll in Zukunft den Regen abhalten. Ein weiteres Problem dieser Kirche war die Statik: Das Gebäude drohte auseinanderzubrechen. 1988 wurde die Kirche gesperrt, dann umfangreich saniert und 1993 wieder geöffnet.
Im Fußboden der Musikkirche in Malchow ist ein sternförmiges Mosaik zu erkennen. Auch im Park um die Kirche herum gibt es Labyrinthe und Irrgärten.
Nicht alle sanierten Kirchen werden weiterhin für Gottesdienste genutzt. In Malchow (Brandenburg) hatte man die 700 Jahre alte Feldsteinkirche in den fünfziger Jahren beinahe aufgegeben, weil sie baufällig war. Jetzt wird sie von den Grundmauern bis zum Dach saniert, zurzeit ist der Innenraum noch eine Baustelle. Wenn alles fertig ist, wird die Kirche von Kindern und Jugendlichen als Musikhaus genutzt - zum Üben und für Konzerte. Außerdem entsteht auf dem Fußboden der Kirche und im Park um sie herum ein System von Labyrinthen und Irrgärten. Diese Ideen von Kirchengemeinde und Studenten-Arbeitsgruppen fand die Stiftung KiBa so gut, dass Malchow dafür den 3. Preis der Stiftung im Jahr 2011 bekommen hat.
In Federow, einer Gemeinde am Müritz-Nationalpark in Brandenburg, werden in der kleinen Kirche Sankt Marien täglich Hörspiele vorgespielt - eins für Kinder und eins für Erwachsene. Mit dem Konzept "Hörspielkirche" hat die Gemeinde nicht nur die kleine Feldsteinkirche vor dem Verfall gerettet, sondern auch einen Ehrenpreis von der Stiftung KiBa bekommen.
"Es ist immer weniger Geld da als wir eigentlich bräuchten"
Die evangelischen Kirchen in Deutschland besitzen zusammen insgesamt rund 21.000 Kirchen und Kapellen. Davon stehen fast 17.000 unter Denkmalschutz. Gemeinden, die ein solches Denkmal besitzen, können Geld für Sanierungen beantragen. Auf dem Schreibtisch von Reinhard Greulich, Referent bei der Stiftung KiBa, stapeln sich die Förderanträge - nur ein Drittel davon kann die Stiftung jährlich berücksichtigen. "Es ist immer weniger Geld da als wir eigentlich bräuchten", bedauert Greulich.
In dieser Kirche in Federow (beim Nationalpark Müritz in Mecklenburg-Vorpommern) können die Gäste sich in die Bänke setzen und täglich zwei Hörspielen lauschen.
Die Stiftung KiBa verfügt über ein Kapital von gut 25 Millionen Euro. Erträge aus diesem Kapital sowie zusätzliche Spenden und Förderbeiträge steckt die Stiftung in Kirchensanierungen. Zur Zeit sinken die Kapitalerträge, während die Spendeneingänge steigen und damit wichtiger werden. Aus beiden Töpfen zusammen bewilligt die Stiftung jedes Jahr rund eine Million Euro für Bauprojekte - ausgezahlt wird aber deutlich mehr, weil Bauarbeiten aus den Vorjahren noch laufen. Bei den Bewilligungen sind zuerst die Kirchen dran, bei denen es beispielsweise durch das Dach tropft oder die Statik wackelt.
Sonderspenden gingen nach dem Elbe- und Mulde-Hochwasser 2006 bei der Stiftung KiBa ein, die Flut hatte vor allem Kirchen in Sachsen beschädigt. Auch unabhängig von solchen Katastrophen sind die ostdeutschen Bundesländer ein Arbeitsschwerpunkt der Stiftung: Viele alte, zum Teil große Kirchen fristen ihr Dasein in kleinen Dörfern mit wenigen Gemeindegliedern, die kaum eigene finanzielle Mittel haben. Im Jahr 2010 zum Beispiel flossen 83 Prozent der Fördermittel der Stiftung KiBa in den östlichen Teil Deutschlands.
Das ganze Dorf macht mit
Stiftungsreferent Reinhard Greulich freut sich besonders, wenn ein Sanierungsprojekt die Lebensgeister der Dorfgemeinschaft weckt, wie zum Beispiel im brandenburgischen Ort Rieben: "Da befasst sich plötzlich das ganze Dorf mit der Kirchenrenovierung, egal ob Kirchenmitglied oder nicht." Die Dorfkirche ist jetzt kirchliches, kulturelles und soziales Zentrum des Ortes. Bewohner diskutieren, planen und bauen mit, Kirchengemeinde und Kommune arbeiten zusammen. Das Projekt sei "beispielgebend für Kirchen im ländlichen Umfeld", heißt es von der Stiftung KiBa, die im Jahr 2011 Platz zwei bei ihres jährlichen Preises nach Rieben vergab.
An den Plänen für die alte Dorfkirche in Rieben (Brandenburg) hat die Dorfgemeinschaft mitgearbeitet. Darüber freut man sich bei der Stiftung KiBa besonders.
An diesem Beispiel wird deutlich: Nicht nur der Erhalt der Bausubstanz ist ausschlaggebend. Wichtig ist auch das Leben im Denkmal. Das gilt auch bei der Entscheidung der Bundesländer, ob ein Gebäude überhaupt unter Schutz gestellt wird oder nicht: "Ein Bauwerk hat einen kunsthistorischen Wert oder eine Aussage für eine bestimmte Epoche", erklärt Ursula Schirmer, Pressesprecherin der Stiftung Denkmalschutz. Ein Denkmal erzählt von den Lebensumständen der Menschen in früheren Zeiten, von ihrer Wirtschaftsweise, ihren technischen Errungenschaften, ihrem Glauben - aber auch von weniger angenehmen Dingen wie harter Arbeit, Unterdrückung und Tod. "Ein Denkmal muss nicht schön sein", erklärt Ursula Schirmer: Auch hässliche Firmengebäude, alte Kerker oder Teile der Berliner Mauer können unter Denkmalschutz stehen.
Über "Schönheit" lässt sich streiten
Unter den insgesamt rund 1,2 Millionen Einzeldenkmälern in Deutschland befinden sich mittlerweile auch solche, über deren architektonische "Schönheit" gestritten werden kann: Betonklötze aus den sechziger und siebziger Jahren. Ursula Schirmer findet es interessant, dass immer erst die Enkel einer Generation den Wert des Baustils einer Epoche erkennen. So habe man in den siebziger Jahren Stuck von den Decken der Gründerzeit-Häuser abgeschlagen - und ihn später mühsam wieder neu modelliert. Genauso kämen jetzt die Bauten der siebziger Jahre in den Blick: Sie seien eben "Zeugnisse der Zeit", sagt Schirmer, auch wenn es "noch so brutale Betonarchitektur" handle. Saniert werden müssten solche Gebäude oft schon nach vier oder fünf Jahrzehnten, weil Beton nicht "für die Ewigkeit" gemacht sei, so Schirmer.
Den ersten Preis der Stiftung KiBa bekam im Jahr 2011 eine Kirche, die in den fünfziger Jahren erbaut wurde: die lutherische Paul-Gerhardt-Gemeinde in Hamburg Altona. Um einer Schließung der Kirche zu entgehen, hat sich die Gemeinde dazu entschlossen, ganz neu anzufangen: Sie wurde eine "offene Kirche für den Stadtteil" mit besonderem Interesse an Kindern und Jugendlichen. In den Räumen der Kirche befindet sich nun ein Kindergarten, und im Kirchturm sollen Kletterwände für Jugendliche eingebaut werden.
Auch von außen macht das Baudenkmal jetzt etwas her: Die Paul-Gerhard-Kirche wird so beleuchtet, dass die Baukonstruktion hervorgehoben wird. Nun muss noch der Turm trockengelegt und eine neue Heizung in die Kirche eingebaut werden - das Geld reicht insgesamt für den Umbau der Kirche noch nicht aus, sagt Pfarrerin Barbara Schiffer. Die 25.000 Euro Preisgeld von der Stiftung KiBa kann die Paul-Gerhard-Gemeinde deshalb gut gebrauchen.
Beim diesjährigen Tag des Offenen Denkmals am 11. September werden mehr als 7500 Bau- und Bodendenkmäler für Besucher geöffnet. Über eine interaktive Karte im Internet lassen sich die teilnehmenden Denkmäler in allen Regionen Deutschlands schnell finden.