Ein Viertel der Geringverdiener schafft einer neuen Studie zufolge nach einem Jahr den Sprung in eine normale Beschäftigung. Etwa die Hälfte verharrt im Niedriglohnsektor, wie die Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft im Auftrag der arbeitgebernahen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft zeigt. Niedriglohn-Jobs böten mehr Chancen als Risiken, sagte der Geschäftsführer der Initiative, Hubertus Pellengahr, am Dienstag in Berlin.
Generell wechselten wenige Arbeitnehmer nach einem Jahr ihren Arbeitsplatz, erläuterte der Autor der Studie, Holger Schäfer. Daher sei es viel, wenn ein Viertel der Geringverdiener den Aufstieg schaffe. Bei den Normalverdienern blieben 86 Prozent im gleichen Job. Nur 4,8 Prozent wechselten vom Normalverdienerbereich mit einem Durchschnittslohn von 14 Euro brutto in der Stunde in den Niedriglohnsektor mit weniger als neun Euro in der Stunde. Niedriglöhne seien vor allem Einstiegslöhne, sagte Pellengahr. "Jeder Job ist besser als gar keiner."
Arbeitgebernahe Initiative sieht kein Armutsrisiko
Das Gutachten zeige auch, dass der Niedriglohnsektor vor Armut schütze. Nur 16 Prozent der Geringverdiener seien armutsgefährdet. Unter den Arbeitslosen betrage die Quote dagegen mehr als 60 Prozent. Schäfer wies darauf hin, dass in Haushalten von Geringverdienern häufig andere Einkommensquellen vorhanden seien wie etwa Sozialleistungen oder das Erwerbseinkommen des Partners. "Es gibt in Deutschland kein nennenswertes Problem der Armut trotz Arbeit", betonte Schäfer.
Rund acht Prozent der Geringverdiener landen nach einem Jahr wieder in der Arbeitslosigkeit. Sieben Prozent hören auf zu arbeiten. Darunter seien vermutlich vor allem Frauen, sagte Schäfer. Weitere sieben Prozent wechseln in die Selbständigkeit oder in eine Ausbildung. Insgesamt ist der Niedriglohnsektor zwischen 1994 und 2009 um sechs Prozentpunkte gewachsen. Der Anteil der Normalverdiener bliebt jedoch konstant bei rund 45 Prozent.
Die arbeitgebernahe Initiative warnte erneut vor Mindestlöhnen. "Wir haben einen Arbeitsmarkt, der funktioniert", so Pellengahr. Mindestlöhne verhinderten nicht nur den Einstieg in den Arbeitsmarkt, sondern auch den finanziellen wie sozialen Aufstieg.
Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft versteht sich als überparteiliches Bündnis aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Sie wird von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie finanziert.
Sozialflügel der CDU fordert einheitlichen Mindestlohn
Der Arbeitnehmerflügel der CDU will einen gesetzlichen Mindestlohn, der sich am Mindestlohn für Leiharbeiter orientieren soll. Der Bundesvorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Karl-Josef Laumann, stellte am Dienstag in Berlin einen Antrag der CDU-Sozialausschüsse an den Parteitag im November vor. Darin plädiert der CDU-Sozialflügel für eine "tariforientierte Lohnuntergrenze". Außerdem sollen die Möglichkeiten zur Befristung von Arbeitsverträgen eingeschränkt werden.
Laumann betonte, dass Tarifverhandlungen immer Priorität hätten. Er sei nicht dafür, dass die Politik einen Mindestlohn auf Euro und Cent festlege. Wo aber die Tarifautonomie nicht mehr funktioniere, legten die Arbeitgeber den Lohn einseitig fest: "Das kann die CDU als Partei der Sozialen Marktwirtschaft nicht gut finden". Viele Arbeitnehmer seien bereits durch Branchen-Mindestlöhne geschützt. Der Antrag der CDA orientiere sich am tariflichen Mindestlohn in der Leiharbeit von 7,79 Euro im Westen und 6,89 Euro im Osten Deutschlands, weil Zeitarbeit in allen Branchen üblich sei.
Gegen Lohndumping und prekäre Beschäftigungsverhältnisse
Der Volkspartei CDU dürfe es nicht egal sein, dass eine Million Menschen in Deutschland weniger als fünf Euro in der Stunde verdienen, sagte Laumann: "Damit kann man weder eine Familie ernähren, noch ausreichende Rentenansprüche erwerben." Die CDU sei eine Partei der Familie und wolle, dass Menschen in stabilen Verhältnissen leben können. Deshalb müsse die Union mehr gegen Lohndumping und prekäre Beschäftigungsverhältnisse tun, forderte der frühere nordrhein-westfälische Arbeitsminister.
In ihrem Antrag kritisiert die CDA auch die steigende Zahl der befristeten Arbeitsverhältnisse. Seit 1996 habe sich der Anteil dieser Jobs nahezu verdoppelt und betrage heute fast neun Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse. Von den unter 25-Jährigen arbeite nur jeder Dritte auf einer unbefristeten Stelle, und jede zweite Neueinstellung werde befristet. Daher müssten die gesetzlichen Möglichkeiten für die sogenannte sachgrundlose Befristung auf den Prüfstand, forderte Laumann.
Befristungen würden oft als verlängerte Probezeit oder Personal-Abbau-Reserve missbraucht und beeinträchtigten die persönlichen Perspektiven. Studien zeigten, dass dadurch Lebensentscheidungen wie Hochzeiten oder die Familiengründung gehemmt würden, erklärte Laumann.