Fatima Adamali behält ihren Sinn für Humor selbst in Zeiten von Hungersnot und Tod. "Ich bin 60", sagt die Großmutter, die sich gekrümmt und auf einem Stock gestützt langsam vorwärts schiebt. Den ungläubigen Blicken entgegnet sie: "Ihr denkt, ich müsste älter sein? Ich sehe nur wegen des Hungers so aus, weil ich nichts esse." Ein Lächeln huscht über das knorrige Gesicht, dann ein lautes Lachen aus vollem Herzen: "Ja, ich war tatsächlich mal wunderschön."
Andere Muslime sind ein Trost
Zehn Tage hat Adamali ins kenianische Flüchtlingslager Dadaab gebraucht. Sie verließ ihre somalische Heimatstadt Bardera, nachdem ihre Tochter verhungert war. Fremde halfen Adamali und ihrer vierjährigen Enkelin bei der Flucht. "Sie haben ein Fahrzeug besorgt, mit dem wir über die Grenze konnten. Ich hatte kein Geld, aber bei einem anderen Muslim haben sie nichts gesagt."
Adamali denkt, dass sie in Dadaab sterben wird. "Ich habe vorher nie ein Flüchtlingslager gesehen. Ich hätte nie gedacht, dass ich in einem sterben würde. Zum ersten Mal bin ich außerhalb des Landes", sagt sie. "Aber es ist unsere Schuld. Das alles ist das Ergebnis des Bürgerkrieges. Wir haben angefangen, gegen uns selbst zu kämpfen."
Plötzlich klatscht sie laut, winkt und schüttelt heftig den Kopf. Nein, sie werde niemals zurückkehren. Sie hat ihren Frieden damit geschlossen, in einem fremden Land zu sterben - weil sie dort unter Muslimen ist. Den meisten Somalis, von denen täglich im Schnitt 1.400 nach Kenia kommen, war es auf dem beschwerlichen Weg ein Trost, dass ihnen andere Muslime hinter der Grenze Nahrung und Schutz bieten können.
Seit 20 Jahren suchen Somalis Schutz im Lager Dadaab
Seit 1991 suchen Somalis im Lager in Dadaab Schutz. Viele leben seit 20 Jahren dort. Sie haben ihre Flucht nie vergessen und öffnen ihr Zuhause für die Neuankömmlinge. Die Somalis behalten ihre Clan-Strukturen bei und werden von einem Gemeindeoberhaupt angeführt. Zur Hilfe gehören Schuhe, Kleidung, Nahrung und Wasser - und später Unterstützung bei der Suche nach einer eigenen Unterkunft.
Khadija Mohammed nahm sich zum Beispiel Adamalis und deren Enkelin an. Sie kümmerte sich unter anderem um medizinische Versorgung wie Impfungen für das Mädchen sowie Essensrationen für mehrere Wochen.
Habibo Hussein erzählt: "Nach dem Krieg, der Dürre, der Hungersnot und dem Tod all meiner Tiere blieb nichts mehr übrig. Verwandte haben mir empfohlen, nach Dadaab zu gehen, weil sich da andere Muslime um meine Familie kümmern." Hussein wiegt ihre zwei Jahre alte Tochter Ladon im Arm, die laut brüllt. Die 20-Jährige sagt, ihr Mann sei von Al-Shabaab-Milizen entführt worden, als er nach Essbarem suchte. Sie setzte ihren 25-tägigen Fußmarsch in das Lager fort - zuversichtlich, eines Tages von ihm zu hören. "Er ist da, ich weiß es. Er lebt."
Abdulai Husain ist nach seiner Ankunft im Camp zu allererst zum Fastenbrechen in die Moschee gegangen, da er weder Geld noch Essen hatte. Der 30-jährige Somali ließ seine Frau und sieben Kinder in Kismayo zurück. "Meine Schwiegereltern wollten, dass ich schaue, ob Dadaab ein sicherer Ort ist." Nun will er seine Familie nachholen.
Auf seinem Weg - nur mit einem Wasserkanister ausgerüstet - hätten ihm viele Muslime geholfen, "die einen Bruder niemals leiden lassen". Bei Pausen unter Bäumen, alle vier Stunden, habe er Milch, Wasser und Lebensmittel von anderen Flüchtlingen oder in Dörfern entlang der Strecke bekommen. "Sie hatten nicht viel. Aber was sie hatten, teilten sie. So ist das im Islam. Ich hatte keine Familie und sie wurden meine neue Familie."