"Uns geht's gut" - die jungen Alten und die Kirche

"Uns geht's gut" - die jungen Alten und die Kirche
Ältere Menschen in Deutschland fühlen sich oft gar nicht alt, sind aktiv und zuversichtlich. Die Kirche könnte noch mehr von ihrer Bereitschaft zum Engagement profitieren. Das Sozialwissenschaftliche Institut der EKD (SI) hat im Mai die erste repräsentative Studie zur Religiosität und kirchlichen Bindung der Generation 60plus in Buchform herausgebracht, der Titel lautet: "Uns geht's gut". Für die Studie wurden 2.022 evangelische und konfessionslose Menschen befragt. Autorin ist die Soziologin Petra-Angela Ahrens.
18.06.2011
Die Fragen stellte Renate Giesler

Frau Ahrens, wenn man Ihre Studie liest, hat man den Eindruck: alt ist man heute erst mit 80 Jahren. Ist das sogenannte dritte Lebensalter, das die Jahre zwischen 60 und 79 Jahren abdeckt, für viele Menschen eine gute Zeit?

Petra-Angela Ahrens: Das scheint so zu sein. Interessant ist, dass vier Fünftel der von uns Befragten sich selbst nicht zu den Alten rechnen. Erst mit Ende 70 wird im Schnitt ein Wendepunkt dieser Wahrnehmung erreicht. Außerdem fühlen sich 73 Prozent jünger als sie es vom chronologischen Alter her sind. Dabei zeichnen sich Menschen im "dritten Alter" durch ihre besondere Lebenszufriedenheit und aktive Orientierung auf das eigene Älterwerden aus. Ein weiterer spannender Punkt ist, dass Menschen, die sich selbst als religiös einstufen, besondere Zuversicht ausstrahlen. Sie betonen auch deutlicher als andere die aktive Orientierung. Unsere Studie zeigt darüber hinaus, dass Religiosität nicht an die Wahrnehmung von zunehmender Gebrechlichkeit oder Einsamkeit im Alter gebunden ist, sondern in der Tat an eine positive Lebenseinstellung.

Das sind ja gute Nachrichten, vor allem im Europäischen Jahr der Freiwilligentätigkeit 2011. Kann unsere Gesellschaft von der Power dieser Generation profitieren?

Ahrens: Zum Teil ja – vorausgesetzt, es wird auf die Interessenlage und Bedürfnisse dieser "jungen Alten" Rücksicht genommen. Vor allem aber müssen wir umdenken, wenn wir die Generation 60plus erreichen, beziehungsweise mit ihr in Kontakt treten wollen. Es beginnt schon mit der Ansprache, sie sollte dem Lebensgefühl und dem Selbstverständnis der Menschen im dritten Lebensalter entsprechen.

Wie sieht es mit der Bereitschaft zum Ehrenamt aus, gibt es Unterschiede in den Altersgruppen?

Ahrens: Insgesamt ist das Potenzial für eine ehrenamtliche Tätigkeit im Gemeindeleben hoch zu veranschlagen: 37 Prozent würden gern die eine oder andere Aufgabe übernehmen. Allerdings darf das nicht als generelle Bereitschaft für Engagement verstanden werden. Was die Unterschiede in den Altersgruppen betrifft, so haben wir herausgefunden, dass die häufig anzutreffende Vorstellung, dass mit der "späten Freiheit" der älteren Generation auch der Wunsch nach einem stärkeren gemeindlichen Engagement einsetzen könnte, nicht für alle Altersgruppen zutrifft.

Nur die 70- bis 74-Jährigen heben sich von den anderen Altersgruppen ab. In dieser Altersgruppe sind 18 Prozent bereits aktiv und 39 Prozent würden sich gern engagieren. Bei den 50- bis 59-Jährigen sind im Vergleich zwar nur zehn Prozent bereits aktiv, aber 41 Prozent würden sich gern engagieren. Allerdings nicht in allen Bereichen, die Generation 60plus wählt aus. Sie ist selbstbestimmter und selbstbewusster als vergleichsweise die 60-Jährigen vor ein, zwei Jahrzehnten. Hinzu kommt, dass aus den verschiedensten Gründen viele Evangelische nicht am kirchlichen Gemeindeleben teilnehmen. Zum Teil hat das mit der eigenen Lebenssituation zu tun, 27 Prozent möchten lieber zuhause ihre Ruhe haben, 21 Prozent gaben an, zu viele andere Verpflichtungen zu haben.

Welche Bereiche werden denn für ein ehrenamtliches Engagement bevorzugt?

Ahrens: Die Bereiche, die die gesellige Freizeitgestaltung betonen, stehen hoch im Kurs stehen. Das sind zum Beispiel Gemeindefeste, aber auch kulturelle Angebote. Unsere Untersuchung macht zudem deutlich, dass höher Gebildete eine größere Bereitschaft für ein ehrenamtliches Engagement in der Gemeinde zeigen als formal geringer Gebildete – sie sind in den meisten Bereichen auch häufiger aktiv im Einsatz.

Was haben Sie in Bezug auf die Geschlechter herausgefunden? Sind die Frauen in der Überzahl?

Ahrens: Im Unterschied zur Teilnahme am kirchlichen Leben – bei dem sich die Frauen insgesamt und in der Tendenz auch bei den einzelnen Angeboten stärker einbringen als die Männer – finden sich beim ehrenamtlichen Engagement kaum geschlechterbezogenen Unterschiede. Nur bei der Mitarbeit in Ausschüssen bzw. im Gemeinderat findet sich eine Abweichung: Hier sind die Männer stärker vertreten.

Gibt es Unterschiede zwischen Stadt und Land?

Ahrens: Die Unterschiede zwischen Stadt und Land sind sogar besonders auffällig. In kleineren Orten (bis 20.000 Einwohner) nehmen 50 Prozent am kirchlichen Leben teil, in Großstädten sind es nur 23 Prozent. Ähnlich sieht es beim Ehrenamt aus: 42 Prozent auf dem Land erklären dazu ihre Bereitschaft, etwa 16 Prozent sind hier bereits aktiv. Die Werte sinken bis auf 30 beziehungsweise sieben Prozent in den Großstädten.


Petra-Angela Ahrens ist Soziologin und Mitarbeiterin des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD. Sie ist Projektleiterin und Autorin der Studie "Uns geht's gut". (Foto: EKD)