Der schwedische Energiekonzern Vattenfall verlangt für die Zwangsstilllegung seiner deutschen Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel eine "faire Entschädigung". Konzernchef Øystein Løseth sagte der Nachrichtenagentur dpa am Dienstag in einem Exklusiv-Interview, das norddeutsche Vattenfall-Kernkraftwerk Krümmel dürfe "mit Blick auf die Reststrommengen zeitlich und mengenmäßig nicht schlechter als andere neuere Kernkraftwerke gestellt werden".
Løseth sagte, es sei noch zu früh, über eine mögliche Gerichtsklage zu entscheiden. Vattenfalls deutsche Tochter gehört zu den vier größten Energiekonzernen in Deutschland und betreibt neben Krümmel auch das Atomkraftwerk Brunsbüttel.
Für das Wiederanfahren der beiden seit 2007 fast permanent stillstehenden Kernkraftwerke habe man 700 Millionen Euro investiert, erklärte Løseth. "Wir haben natürlich all die Investitionen in unsere Reaktoren in dem Glauben getätigt, dass sie wieder angefahren werden." Mit Blick darauf sei die Lage "dramatisch".
Deutschland soll "Kernmarkt" bleiben
Er meinte weiter, Vattenfall respektiere die Entscheidungen der deutschen Regierung und der deutschen Politiker. Der Berliner Entscheid zum schnellen Atomausstieg sei "einzig und allein auf die Stimmungslage nach Fukushima zurückzuführen".
Deutschland soll auch nach der Berliner Energiewende "Kernmarkt" für Vattenfall mit unverändert hohen Investitionen in den kommenden fünf Jahren bleiben. Løseth kündigte an, sein Unternehmen werde die eigenen deutschen Kohlekraftwerke jetzt "so hochgradig verfügbar machen wie möglich". Außerdem erwarte Vattenfall massiv neue Investitionsmöglichkeiten bei erneuerbaren Energien.
In seinem Stammland Schweden will der Konzern unverändert an der Atomkraft festhalten und auch neue Reaktoren bauen, wenn einer der bisherigen sieben eigenen stillgelegt werden sollte. Dort sei die Haltung der Bevölkerung zur Kernenergie nicht so negativ wie hierzulande, erklärte Løseth. In Deutschland seien "80 Prozent gegen die Kernenergie, wenn ich das richtig verstanden habe. In Schweden ist das ganz anders."
Verwaltungsrechtler sieht gute Chance für Atom-Klagen
Der Verwaltungsrechtler Ulrich Battis räumt Klagen gegen die Gesetze zum Atom-Ausstieg gute Chancen ein. Der Bild-Zeitung (Dienstagausgabe) sagte Battis: "Hier wird sehr hemdsärmelig mit den Eigentumsrechten der Kraftwerksbetreiber umgegangen." Der Berliner Jurist widerspricht damit ausdrücklich Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU). Dieser hatte am Montag erklärt, aus der erst kürzlich von Schwarz-Gelb beschlossenen Laufzeitenverlängerung für Atomkraftwerke könnten die Energieversorger keine weiteren Rechte ableiten.
Battis dagegen sieht in der Rücknahme der Laufzeitenverlängerung einen unzulässigen Eingriff in das Grundrecht auf Eigentum der Konzerne. Er sagte: "Man kann nicht längere Laufzeiten beschließen, diese dann zurücknehmen und die Brennelementesteuer beibehalten." Das Aktienrecht zwinge die Betreiber geradezu zur Klage.
Battis sagte, schon das Atom-Moratorium sei ohne Rechtsgrundlage gewesen. Es sei weitgehend einhellige Meinung unter Juristen, dass der von der Bundesregierung dazu herangezogene Paragraph 19.3 des Atomgesetzes zur Begründung nicht tauge.