Und nun schickt Frankreich auch Kampfhubschrauber an Bord des Helikopterträgers "Tonnerre" (Donner) vor die libysche Küste. Die Hubschrauber sollen dort Ziele treffen können, wo selbst die aus den Kampfbombern fallenden Präzisionswaffen nicht eingesetzt werden könnten, ohne nicht zahlreiche zivile Opfer zu riskieren. Denn Gaddafi versteckt seine Wafen gerne inmitten der Zivilbevölkerung.
"Die Truppensteller wollen robuster vorgehen", sagt ein Beamter in der NATO-Zentrale in Brüssel. Wobei das Wort "robust", wenn es Militärs gebrauchen, stets bedeutet, dass es richtig kracht. Von einer "Intensivierung" oder einem "Forcieren" des Einsatzes sprechen Diplomaten. Sie versichern: Dies bedeute keinesfalls, dass die internationale Koalition - zu der Deutschland nicht gehört - in Schwierigkeiten sei oder gar daran zweifle, das Einsatzziel nicht zu erreichen.
Frankreichs Präsident verärgert
Seit dem 19. März schlagen, meistens nachts, Bomben und vor allem präzise lenkbare Waffen in Libyen ein. Seit Anfang April wird der Einsatz von der NATO geleitet, obwohl das Frankreich zunächst zu vermeiden suchte. Die USA, anfänglich auch noch mit Kampfbombern dabei, halten sich schon seit April im Hintergrund: Sie beschränken sich auf den Einsatz von Transport- und Tankflugzeugen. Sehr zum Ärger des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy: Nach einem Bericht der Zeitung "Le Monde" hat er den US-Präsidenten Barack Obama vergeblich aufgefordert, doch wieder die gefährlichen Kampfjets vom Typ A-10 ("Warzenschwein") zu schicken.
NATO-Beamte in Brüssel sehen in dem deutlich verschärften Einsatz in Libyen kein Zeichen für die schleichende Ausweitung des Kampfauftrages, des sogenannten "Mission Creep". Und NATOo-Militärs sehen die Gefahr schon gar nicht. Der britische Oberstleutnant Mike Bracken, Sprecher des Libyen-Einsatzes, sieht vor allem in den vergangenen zwei Wochen eine Serie großer militärischer Erfolge.
So sei die östliche Stadt Adschabija vor zwei Monaten unter "erheblichem Druck" der Gaddafi-treuen Truppen gewesen. Mittlerweile seien diese Truppen zwar noch eine Bedrohung, hätten sich aber etwas zurückgezogen und seien vor allem damit beschäftigt, für den eigenen Nachschub zu sorgen. Misrata, wo vor zwei Monaten die Panzer Gaddafis in den Straßen schossen, sei inzwischen nicht mehr ständig belagert. Es gebe dort keine Gaddafi-Soldaten mehr, die Versorgung der Bevölkerung sei nicht mehr bedroht: "Vor zwei Wochen haben wir einen Wendepunkt erreicht."
Gaddafi soll am Leben bleiben
Probleme gibt es laut Bracken im von Berbern bewohnten Hochland im Westen des Landes, wo jetzt aber "die Anti-Gaddafi-Truppen besser organisiert" seien. Auch in und um Tripolis gebe es noch viele "legitime Ziele". Die NATO-Militärs beteuern, Ziel des Einsatzes sei weder die Tötung von Gaddafi noch der Sturz seines Regimes. Vielmehr werden alle Bombardierungen mit dem Schutz der Zivilbevölkerung begründet, für den laut UN-Mandat "alle erforderlichen Maßnahmen" erlaubt sind.
Doch im Moment deutet nichts darauf hin, dass Gaddafi bald verschwinden oder der Nato-Einsatz ein rasches Ende nehmen könne. Beamte bei der Nato meinen hinter vorgehaltener Hand, der neue «robuste» Einsatz habe damit zu tun, dass den Militärs Ziele ausgingen, die sie noch zerstören könnten. Die Anti-Gaddafi-Koalition scheine entschlossen, "die Grenzen des UN-Mandats voll auszureizen".