Geliebtes, gehasstes Social Media

Geliebtes, gehasstes Social Media
Social-Media-Dienste wie Facebook, Twitter, Youtube und Flickr werden von deutschen PR-Leuten und Journalisten als "notwendiges Übel" noch nicht wirklich akzeptiert. Die Skeptiker nehmen zu, dabei sind viele immer noch mit "großem Spaß" dabei.
15.05.2011
Von Christiane Schulzki-Haddouti

Am 11. März, dem Tag des schweren Erdbebens in Japan, twitterte ein Journalist nach einigen Stunden intensiver Arbeit: "Twitter ist das beste Journalistentool, das ich kenne. Man bekommt Infos sofort, sieht Entwicklung der Geschichte." Und erhielt sofort Zuspruch von Kollegen anderer Online-Redaktionen. Doch diese Begeisterung teilen nur offenbar wenige: Eine Umfrage der dpa-Tochter news aktuell und Faktenkontor unter 5.120 Personen aus PR-Agenturen, Pressestellen und Redaktionen im Februar diesen Jahres ergab: Theoretisch wissen zwar Journalisten und PR-Fachleute, dass Social-Media-Tools "wertvolle Arbeitswerkzeuge" sind, doch in ihrem Arbeitsalltag nehmen viele sie noch als "notwendiges Übel" wahr. Und die Zahl der Skeptiker wächst.

Nur ein Drittel der Redaktionen und ein Viertel der Pressestelle glaubt, "gut" oder "sehr gut" für den Umgang mit Social Media gerüstet zu sein. Positiver äußerten sich diejenigen, die täglich mit einem sehr hohen Nachrichtendurchsatz zu tun haben: Fast die Hälfte der Online-Redaktionen sowie ein Drittel der Nachrichtenagenturen äußerten sich positiv, während sich nur ein Fünftel der Zeitschriften- und Tageszeitungsredaktionen fit für den Umgang mit dem Web 2.0 fühlt.

Online-Journalisten sind besonders aufgeschlossen

Klare Unterschiede zeigen sich auch in den Unternehmen. Ein knappes Drittel der Sprecher aus den Branchen Handel und Dienstleistung sahen sich gut aufgestellt, bei den Sprechern aus Verbänden und Verwaltungen sind dies nur knapp ein Fünftel. Eine persönliche Unsicherheit im Umgang mit dem Social Web gab rund ein Drittel der Befragten aus Redaktionen und PR-Agenturen zu. Als "Profi" bezeichnet sich nur ein Sechstel. Die Hälfte gab jedoch an, bereits "einige Erfahrung" gesammelt zu haben.

Gleichwohl ist Social Media in Redaktionen und Unternehmen nichts Exotisches mehr. Etwa die Hälfte der Journalisten sieht darin ein "wertvolles Arbeitswerkzeug". Bei den Online-Redakteuren zeigten sich bereits zwei Drittel derart aufgeschlossen, bei Nachrichtenagenturen und Rundfunksendern etwa die Hälfte der Befragten. In Pressestellen und PR-Agenturen setzen sogar mehr als die Hälfte der Befragten Social-Media-Dienste im Arbeitsalltag ein.

Journalisten arbeiten am intensivsten mit Facebook, gefolgt von Youtube, Xing und Twitter. Pressesprecher setzen ebenfalls vor allem auf Facebook, nach Xing auf Platz zwei steht jedoch Twitter bereits auf Platz drei und Youtube auf an vierter Stelle Die meisten der Befragten twittern, bloggen oder kommentieren drei Mal pro Woche.

Der Aufwand lohnt sich

Die freie Journalistin und Bloggerin Vera Bunse, die für diesen Artikel spontan über Facebook angesprochen wurde, sagt: "Viele Informationen würde ich ohne Twitter erst sehr viel später bekommen, Hintergründe oft gar nicht." Facebook nutzt sie zur Selbstdarstellung und Kontaktpflege, aber auch zur Informationsgewinnung: "Man sieht interessante Links und hat die Möglichkeit, direkt Rückfragen zu stellen." Mit der Zeit ergebe sich ein persönliches, internationales Netzwerk mit Ansprechpartnern zu allen möglichen Themenbereichen. Sie meint: "Auch man selbst ist stets ansprechbar, was beruflich durchaus vorteilhaft sein kann. Beides ist den Aufwand wert und belohnt mit Aktualität, interessanten Hintergrundinformationen und Kontakten."

Der journalistische Kollege, der im Vertrauen zugab, bei Facebook einen Account mit Pseudonym angelegt zu haben, um einmal zu sehen, wie der Dienst überhaupt funktioniert, gehört noch zu den aufgeschlosseneren Zeitgenossen. Damit er auch die Vernetzung mit anderen ausprobieren kann, legte er übrigens einen zweiten pseudonymen Account an – um sich mit sich selbst zu vernetzen.

Journalisten uneinig über Social Media

Immerhin, denn die Hälfte der Befragten will in solchen Dienste nur eine "geringe" bis "gar keine Relevanz" erkennen. Damit nehmen die Skeptiker überraschenderweise zu, denn die Umfrage hatte im Herbst 2010 nur ein Drittel der Befragten derart skeptisch gefunden. Jeder sechste Journalist verzichtet sogar komplett auf die Dienste in seinem Arbeitsalltag. Unter den Pressesprechern finden sich 15 Prozent, die komplett auf Social Media verzichten.

Die Meinungen unter den Befragten sind stark geteilt: Noch immer ist Social Media für jeden dritten Journalisten und Pressesprecher nur ein "notwendiges Übel", das sieht auch jeder vierte Mitarbeiter einer Pressestelle so. Sie glauben, dass die Arbeit schwieriger werde. Umgekehrt hat aber auch jeder vierte Journalist und PR-Profi damit sogar "großen Spaß" und glaubt, dass die Arbeit effektiver wird.

Um die weitere Entwicklung kümmern sich vor Ort in den Redaktionen vor allem die Online-Redakteure, während es in Unternehmen die Presseabteilungen sind, gefolgt vom Marketingteam. Obwohl die große Mehrheit sich sicher ist, dass Social Media künftig noch intensiver im Arbeitsalltag eingesetzt wird, planen die Hälfte der Befragten keine weiteren Investitionen. Über die Hälfte der Journalisten und Pressestellen glauben, dass Social Media die Kommunikationsarbeit von Unternehmen revolutioniert. Ein Viertel der PR-Agenturen erwartet neue Arbeitsplätze.


Christiane Schulzki-Haddouti ist freie Journalistin und lebt in Bonn.