Bei Straßenschlachten zwischen Muslimen und koptischen Christen in Kairo sind zwölf Menschen getötet und 230 weitere verletzt worden. Das berichtete das staatliche ägyptische Fernsehen am Sonntag. Auslöser der Auseinandersetzungen in der Nacht war ein Angriff gewalttätiger Muslime auf eine koptisch-christliche Kirche im Kairoer Armen-Viertel Imbaba. Die Muslime vermuteten, dass dort eine erst kürzlich vom Christentum zum Islam konvertierte junge Frau festgehalten wird. Das ägyptische Militär schritt ein und trennte die kämpfenden Seiten.
Augenzeugen berichteten, dass Schusswaffen und Molotow-Cocktails eingesetzt wurden. Die Kirche ging in Flammen auf und wurde schwer beschädigt. Unter den Toten seien auch zwei Muslime gewesen. Die Sicherheitsbehörden verhängten eine bis Montag geltende Ausgangssperre für die betroffene Straße.
190 Menschen werden "exemplarisch bestraft"
Der regierende Militärrat gab am Sonntag bekannt, dass 190 Menschen am Schauplatz festgenommen wurden. Sie würden vor ein Militärgericht gestellt und "wegen des Versuchs, das Schicksal der Nation aufs Spiel zu setzen, exemplarisch bestraft", hieß es in einer Erklärung. Über die konfessionelle Zuordnung der Festgenommenen wurden keine Angaben gemacht. Der Militärrat regiert das Land seit dem Sturz von Präsident Husni Mubarak am 11. Februar.
Die Frau, die angeblich in der St. Mina-Kirche gegen ihren Willen festgehalten wurde, sei zum Islam konvertiert, um einen muslimischen Mann heiraten zu können, hieß es. Der Wahrheitsgehalt dieser Behauptungen ließ sich allerdings nicht überprüfen. Liebesbeziehungen gemischt-religiöser Paare sind in Ägypten immer wieder Auslöser von Gewalt. Oft spielen dabei aber auch aus der Luft gegriffene Gerüchte eine Rolle, die in manchen strenggläubigen Muslimen eine nahezu hysterische Gewaltbereitschaft erwecken.
Unklar blieb zunächst auch, inwiefern sogenannte Salafisten - besonders fundamentalistische und zur Gewalt neigende Muslime - die Zusammenstöße provoziert haben. Tatsächlich leben in Imbaba fromme Muslime und Christen nebeneinander. Muslimische Nachbarn der angegriffenen Kirche und säkulare Blogger, die zum Schauplatz geeilt waren, behaupteten, dass sie keine Salafisten gesehen hätten. Stattdessen seien Schläger und Kriminelle, wie sie oft vom Geheimdienst des Mubarak-Regimes gedungen und eingesetzt worden waren, die Rädelsführer der Ausschreitungen gewesen.
Kopten wollen mit dem US-Botschafter sprechen
Kurz nach den Zusammenstößen in Imbaba zogen koptische Christen vor die US-Botschaft in Kairo. Sie kündigten an, solange dort ausharren zu wollen, bis der US-Botschafter mit ihnen über die "Ungerechtigkeiten gegen die christliche Minderheit" spricht. Zuletzt waren Anfang März in Kairo bei Auseinandersetzungen zwischen Muslimen und Kopten 13 Menschen getötet und rund 100 weitere verletzt worden. Auslöser der Gewalt im Vorort Mokattam waren Proteste gegen die Zerstörung einer Kirche südlich der ägyptischen Hauptstadt durch extremistische Muslime.
Koptische Christen bilden in dem überwiegend von Muslimen bewohnten Ägypten einen Bevölkerungsanteil von schätzungsweise 10 Prozent, was etwa acht Millionen Menschen entspricht.