Eine Erschießung ist kein Grund zum Feiern

Eine Erschießung ist kein Grund zum Feiern
Die US-amerikanische Regierung hat den Tod von Osama bin Laden offiziell bestätigt. Ein Team von US-Soldaten hat den Terroristenführer in einem gesicherten Haus in Pakistan erschossen. Aus aller Welt gratulierten Politiker der amerikanischen Regierung, auch deutsche – ein seltsamer Anlass für eine Gratulation.

Osama bin Laden ist tot. Ist das eine gute Nachricht? Die Amerikaner jubeln vor dem Weißen Haus, deutsche Politiker von Innenminister Friedrich bis Kanzlerin Merkel gratulieren US-Präsident Obama. In den Straßen von Washington und New York feiern die Amerikaner sich, ihr Land und ihren Präsidenten und einen Sieg im Krieg gegen den Terror. An Ground Zero, wo die Türme des World Trade Centers bis zum 11. September noch in den Himmel ragten, entfalten sie amerikanische Flaggen.

Osama bin Laden ist tot. Ist das keine gute Nachricht? Ein Team von US-Soldaten hat den "Terrorfürsten" in seinem sicheren Haus nahe der Stadt Abbottabad in Pakistan aufgespürt und umgebracht. US-Präsident Obama bestätigte, dass es ein Feuergefecht gab und dass er den Befehl für den Angriff auf bin Laden gegeben hatte.

Auf der einen Seite haben die USA einen der meistgesuchten Terroristen unserer Zeit erfolgreich aufgespürt und ihn getötet. Auf der anderen Seite haben amerikanische Soldaten in einem pakistanischen Land einen saudischen Staatsbürger umgebracht. Das sind zwei Seiten einer blutigen Medaille. Die amerikanischen Jubelarien über den Tod Osama bin Ladens überdecken, dass der Präsident ihres Landes schon seit zehn Jahren – das war unter George W. Bush schon so – Spezialkommandos in Afghanistan und Pakistan einsetzte, deren einzige Mission lautete, Osama bin Laden zu fangen oder zu töten - "to kill or capture".

Ein gefangener Osama wäre für die USA ein größeres Problem

Es ist die alttestamentarische Rache für die Anschläge vom 11. September, Auge um Auge, Zahn um Zahn. Für die Amerikaner war bin Laden die Personifizierung des Bösen, ebenso wie die USA für bin Laden immer der große Satan waren. Diese Feindschaft zwischen dem Land und dem Mann ist jetzt vorbei, die Amerikaner haben bin Laden mit seinen eigenen Mitteln geschlagen: mit Gewalt.

Nach offiziellen Angaben der US-Regierung hat bin Laden während des Feuergefechts mit den Navy SEALs selbst geschossen und das Angebot, sich zu ergeben, abgelehnt. Das kann man glauben oder auch nicht. Und vielleicht war es wirklich nicht möglich, Osama bin Laden lebendig gefangen zu nehmen.

Aber die Vermutung liegt nahe, dass ein lebendig gefangener Osama bin Laden in den USA mehr Schwierigkeiten gemacht hätte als ein toter. Schließlich zeigten sich die USA bislang unfähig, auch nur den Verdächtigen aus dem Gefangenenlager Guantanamo einen rechtsstaatlichen Prozess zu liefern. Saddam Hussein hatten die Soldaten der letzten verbliebenen Weltmacht wenigstens noch an die irakische Rechtssprechung ausgeliefert. Aber von einem saudischen Gericht können die USA sicher nicht das gleiche vorgefertigte Todesurteil erwarten.

Keine "gute Nachricht", über die man sich freuen sollte

Was also bringt der Tod von Osama bin Laden? Für die Amerikaner die Genugtuung, dass sie ihren Staatsfeind Nummer 1 nicht mehr fürchten müssen. Das Ende des so genannten "Krieges gegen den Terror" ist bin Ladens Tod aber sicher nicht. Selbst wenn niemand den selbst ernannten "Löwen des Islam" in der ideologische Führerrolle ersetzen sollte, wird das lockere Netzwerk der Terroristen weltweit weiter bomben.

Für den Rest der Welt bleibt das Entsetzen, dass die USA in fremden Ländern gezielt Menschen töten lassen – und alle dafür auch noch gratulieren, so wie Außenminister Westerwelle, der sich über die "gute Nachricht" freute. Auch wenn man die Erleichterung der Politiker ein bisschen verstehen kann: Freuen sollte man sich über diese Wildwest-Methoden nicht.


Hanno Terbuyken ist Redakteur bei evangelisch.de.