Sie wollen das Abendmahl zum Straßengespräch machen – was genau planen Sie am kommenden Gründonnerstag?
Frank Muchlinsky: Wir werden am Gründonnerstag das berühmte Gemälde von Leonardo da Vinci als lebendiges Denkmal an verschiedenen öffentlichen Plätzen Hamburgs darstellen. Dreizehn Darstellerinnen und Darsteller ziehen mit zwei Tapeziertischen, Tischdecke, Geschirr und Klappstühlen los, decken den Tisch, nehmen Platz, essen, unterhalten sich, dann friert die Szene für eine Weile ein.
Die Darstellerin des Jesus stellt ihr Glas mit einer schnellen Geste auf den Tisch, die Szene verwandelt sich in das berühmte Fresko. Wieder wird die Szene gehalten, bis Judas seinen Geldbeutel auf den Tisch hämmert und die Gruppe verlässt. Dann lösen wir die Szene auf, decken den Tisch ab und verteilen Postkarten, auf denen wir den Text aus dem Markusevangelium über diese Szene abgedruckt haben und auf unseren Blog im Internet verweisen. Dort kann man anschließend Fotos und kleine Filmclips zu der Aktion anschauen und über die Aktion diskutieren.
Das Abendmahl ist ein Sakrament, darf und kann man es mit Schauspielern nachstellen?
Frank Muchlinsky: Wir feiern kein Abendmahl, sondern wir stellen eine berühmte Darstellung der Abendmahlsszene nach. Es geht uns um mehrere Aspekte des Geschehens am Gründonnerstag, nicht zuletzt um die Ankündigung des Verrats Jesu durch Judas. Das ist der Moment, den Leonardo dargestellt hat.
Gemeinschaft, Verrat und Unendlichkeit durch Straßentheater erfahrbar machen
Mit welchen Reaktionen rechnen Sie unter den Zuschauern?
Frank Muchlinsky: Da ist so ziemlich alles möglich. Teilweise betreten wir Gelände, das von privaten Firmen gepachtet ist. Im schlimmsten Fall kann es sein, dass wir an ein paar Orten vertrieben werden. Im besten Fall bleiben die Leute stehen, schauen zu und lassen sich anschließend auf ein kurzes Gespräch mit uns über die Aktion, über den Gründonnerstag oder das Abendmahl ein.
Darum veröffentlichen wir die Bilder und Videoclips auch bald nach der Aktion. Wir möchten anregen, über diesen so besonderen Abend nachzudenken. Hier liegen Gemeinschaft, Verrat, Abschied und Blick in die Unendlichkeit so nah zusammen. Vielleicht schaffen wir es auch, Nachahmer zu finden.
Sie nehmen sich das Abendmahlsbild von Leonardo da Vinci als Vorlage – hätten Sie sich nicht auch direkt auf das Neue Testament stützen können?
Frank Muchlinsky: Wir nutzen das Gemälde von da Vinci, weil es so gut bekannt ist. Das Bekannte mischt sich durch die Fremdartigkeit der Umgebung. Dadurch möchten wir deutlich machen: Wir haben hier eine Tradition, die einerseits zu unserem Kulturgut gehört, die sich andererseits aber nicht in Kultur erschöpft. Darum verteilen wir die Karten, au denen der Markustext steht.
Das erste Abendmahl fand hinter verschlossenen Türen statt und war als Abschiedsmahl gedacht. Was verändert sich, wenn Sie es so in die Öffentlichkeit bringen?
Frank Muchlinsky: Auch hier spielen wir wieder mit den Gegensätzen, die im letzten Abendmahls angelegt sind: Einerseits war es ein privates, geradezu intimes Abschiedmahl unter Freunden, andererseits habt Jesus selbst es von Anfang an darauf angelegt, dass es wiederholt werden soll: „Solches tut – ich ergänze: immer wieder und in vielen Zusammenhängen – zu meinem Gedächtnis!“ Da Vinci und alle Künstler, die das Abendmahl je dargestellt haben, haben eben diese intime Situation öffentlich gemacht. Wir schauen zu, wie alle am Tisch sich fragen: „Bin ich es, den Jesus meint, als er sagt: ‚Einer von Euch wird mich verraten.’“
Das Abendmahl neu entdecken
Das Abendmahl ist – wenn es gefeiert wird – ein Mittelpunkt des Gottesdienstes und ein Gemeinschaftsmahl. Können und wollen Sie das auch mit der Inszenierung erlebbar machen?
[listbox:title=Weblog zur Aktion[Straßentheaterprojekt: mahlganzanders]]
Frank Muchlinsky: Nein, Abendmahl kann man nicht durch Zuschauen erleben. Was wir vielleicht anregen können, ist, dass die Leute, die uns zuschauen auf den Appetit kommen. Wir stellen die Szene nach, wie sie sich ein Künstler vorgestellt hat. Der Blog, auf dem wir unsere Inszenierung anschließend veröffentlichen, kann dazu anreizen, sich einmal wieder mit dem Abendmahl auseinander zu setzen und – wer weiß – mal wieder zum Abendmahl zu gehen, oder es beim nächsten Gottesdienst anders zu erleben. Wir möchten gern wissen, was genau die Aktion auslöst. Darum freuen wir uns natürlich auf möglichst viele Kommentare.
Können Menschen bei der Vorführung mitmachen und so selbst erfahren, was Abendmahl bedeutet?
Frank Muchlinsky: Wir werden nicht dazu einladen, während unserer Aktion selbst in das Bild zu gehen. Wenn das geschieht, wird es sicherlich spannend, aber es kommt uns eher darauf an, etwas zu präsentieren, das zum Zuschauen und zum Gespräch einlädt. Wir möchten zunächst einmal sagen: „Heute ist übrigens Gründonnerstag. Das ist ein Höhepunkt der Karwoche. Es ist der Tag, an dem die christlichen Kirchen an das letzte Abendmahl Jesu erinnern: An den Abschied, den Verrat, die Verhaftung.“
Wenn wir unsere Aktion veröffentlich haben, werden wir dazu einladen, ähnliche Aktionen in der Öffentlichkeit zu starten und uns Bilder davon zu schicken, die wir dann ebenfalls in unserem Blog veröffentlichen. Wahrscheinlich verschiebt sich der Schwerpunkt dann vom Gründonnerstag noch mehr auf das Abendmahl selbst. Wenn wir da ein paar Gemeinden oder andere Gruppen anregen können, wäre das sicherlich ein großer Erfolg. Und es gibt ja noch so viel mehr berühmte Gemälde mit christlichen Motiven, die nur darauf warten, dass man ihren religiösen Inhalt wieder betont.
Frank Muchlinsky, Jahrgang 1966, ist Pastor im Diakonischen Werk Hamburg und Initiator des Straßentheater-Projektes "mahl ganz anders".