Internationale Wissenschaftler haben außerdem die Informationspolitik der offiziellen Stellen zur Atomkatastrophe im japanischen Fukushima massiv kritisiert. "Die Informationspolitik der Japaner ist genauso wie die der sowjetischen Regierung vor 25 Jahren bei der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl", sagte der Präsident der Gesellschaft für Strahlenschutz, Sebastian Pflugbeil, am Mittwoch in Berlin bei einer Tagung zu den Folgen von Tschernobyl. Auch alle deutschen Stellen seien auf "Tauchstation" gegangen.
Bei den sechs Reaktoren in Fukushima geht Pflugbeil von einer um ein Vielfaches höheren Menge an ausgetretener Radioaktivität als damals in der Ukraine aus. Nach Erhebungen russischer, ukrainischer und weißrussischer Wissenschaftler sind an den Folgen des GAU vom 26. April 1986 bisher rund 1,4 Millionen Menschen gestorben. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) spricht dagegen bis heute offiziell von 50 Toten.
"Radioaktiver Dreck" direkt in die dichte Besiedlung
Bei der Explosion des einen Reaktors in Tschernobyl sei die Radioaktivität bis zu 15 Kilometer in die Luft geschleudert worden und so teilweise in weit entlegenen Regionen heruntergekommen, so Pflugbeil. "In Japan wird sich der radioaktive Dreck in einem Umkreis von 300 bis 400 Kilometer verteilen, mit schlimmen Folgen für die Gesundheit der dortigen Bevölkerung." In dem dicht besiedelten Japan sei deshalb mit einer deutlich höheren Zahl an Betroffenen zu rechnen.
Hinter dem systematischen Kleinreden von Fukushima steckt laut Pflugbeil der "Desinformationsapparat" der IAEO und des Internationalen Rates für Strahlenschutz als Organisationen der Atomlobby. So bestehe zwischen Atomenergiebehörde und Weltgesundheitsorganisation (WHO) seit den 50er Jahren ein Abkommen, dass die WHO die Veröffentlichung von Zahlen über Strahlenschäden verbietet. "Die Technik von Atomkraft ist so riskant, dass sie nur mit Lügen schmackhaft gemacht werden kann", betonte Pflugbeil.
Bei dem Kongress in Berlin beschäftigen sich bis Freitag Wissenschaftler aus ganz Europa und Japan mit den gesundheitlichen Spätfolgen des Reaktorunglücks in den betroffenen Gebieten der Sowjetunion-Nachfolgestaaten. Besonders für die medizinische Versorgung der Opfer in der Fläche sei kaum Geld da, hieß es.