AKW-Betreiber Tepco leitet radioaktives Wasser ins Meer

AKW-Betreiber Tepco leitet radioaktives Wasser ins Meer
In der havarierten Atomanlage Fukushima gibt es nicht mehr genug Platz für radioaktiv verseuchtes Wasser. Jetzt pumpt Tepco Teile davon ins Meer. Die Regierung beruhigt die Menschen: Größere Gefahren für die Gesundheit bestünden nicht.
04.04.2011
Von Lars Nicolaysen

Wegen der Wassermassen in der Atomruine von Fukushima sieht sich der Betreiber gezwungen, Teile der radioaktiven Brühe insMeer zu leiten. Der Energiekonzern Tepco begann am Montag damit, 11 500 Tonnen Abwasser in den Pazifik zu pumpen, meldete die Nachrichtenagentur Kyodo. Es sei nur leicht belastet, versicherte das Unternehmen. Gleichzeitig kämpfen die Arbeiter weiter gegen ein Leck, aus dem unkontrolliert stark verseuchtes Wasser in den Ozean strömt.

Regierung beschwichtigt

Wie der Energiekonzern mitteilte, stammt der Großteil des Abwassers, das ins Meer geleitet wird, aus einer Speicheranlage auf dem Kraftwerksgelände. Mit der Aktion soll dort Platz geschaffen werden, um stärker strahlendes Abwasser lagern zu können. Dies sei nötig, weil vor allem im Turbinenraum von Block 2 sehr viel Flüssigkeit stehe, erklärte Tepco. Aus dem Block konnte die giftige Brühe bisher nicht abgepumpt werden, weil es an Tanks fehlt.

Regierungssprecher Yukio Edano sagte, das Vorgehen von Tepco sei ohne Alternative. Größere Gesundheitsrisiken befürchte die Regierung nicht.

Zudem macht den unter Lebensgefahr arbeitenden Helfern ein Leck zu schaffen, das am Wochenende entdeckt worden war. Versuche, die undichte Stelle mit Hilfe chemischer Bindemittel zu stopfen, scheiterten. Das Wasser hatte sich im Untergeschoss des Turbinengebäudes von Reaktor 2 sowie in einem tunnelförmigen Verbindungsrohr angesammelt.

Woher kommt das verseuchte Wasser?

Zunächst war versucht worden, den 20 Zentimeter langen Riss in der Wand eines Kabelschachtes am Ende des Rohrs mit Zement zu schließen. Als dies nichts brachte, gossen die Männer das Bindemittel, das zusätzlich mit Sägemehl und geschredderten Zeitungen angereichert wurde, durch ein Loch in das Verbindungsrohr.

Als auch dies nicht wirkte, kippten die Arbeiter am Montag ein weißes Färbemittel in das Wasser, um seinen genauen Verlauf in der Anlage festzustellen. Doch das gefärbte Wasser kam nicht bei den Abflussausgängen an. Nun wird befürchtet, dass das Wasser aus Gesteinschichten heraus sickere, berichtete die Agentur Jiji unter Berufung auf Tepco.

Während die Suche nach dem genauen Wasserlauf weitergeht, erwägt Tepco, im Meer Barrieren zu errichten, um eine Ausbreitung radioaktiver Partikel in den Pazifischen Ozean einzudämmen. Dies wird laut Atomaufsichtsbehörde vermutlich einige Tage dauern.

Verstrahltes Gemüse

Das in dem Kabelschacht angesammelte radioaktiv verseuchte Wasser stammt vermutlich aus dem Reaktor Nummer 2. Dort war es an den Brennstäben zu einer Kernschmelze gekommen. Die Verstrahlung des im Kabelschacht gefundenen Wassers mit Jod-131 liegt laut Tepco um das 10.000-Fache über der gesetzlichen Höchstgrenze.

Doch offensichtlich entweicht nicht nur über das Wasser Radioaktivität in die Umwelt, sondern auch über die Luft. Auch mehrere Gemüsesorten sind bereits verstrahlt und dürfen auf Weisung der Behörden nicht mehr verkauft werden. Das trifft die Landwirtschaft schwer. In der Unglücksprovinz Fukushima, wo auch das havarierte Kernkraft liegt, sind nun auch in Shiitake-Pilzen radioaktive Substanzen gefunden worden. Die Provinzregierung wies 23 Pilzbauern an, keine der Pilze auszuliefern.

Wegen der ungelösten Atomkrise in Fukushima zweifelt die japanische Regierung inzwischen an den eigenen Klimaschutzzielen. Es könne sein, dass das Ziel einer Reduzierung der CO2-Emissionen um 25 Prozent im Vergleich zum Stand von 1990 überdacht werden muss, sagte Regierungssprecher Yukio Edano. Atomenergie ist weitgehend CO2-frei und war daher für die Klimaziele fest eingeplant.

Das Kraftwerk Fukushima Eins wurde bei dem Erdbeben vom 11. März stark beschädigt. Seitdem kämpfen die Arbeiter darum, die Kontrolle über die Atomruine zurückzugewinnen.

dpa