Ein Klangpuzzle richtig zusammenzusetzen ist gar nicht so leicht. Steven wippt etwas nervös vor dem Mikrofon hin und her. Aus dem Kopfhörer dröhnt das auf ein Laptop eingespielte Schlagzeug, die Gitarre schrammelt. Gespannt sitzen seine Bandkollegen im Studio, der 23-Jährige nimmt einen neuen Anlauf: "Wenn Du durchhängst", singt er Strophe für Strophe den gleichnamigen Song von Udo Lindenberg ein, "gibt's nichts Stärkeres als uns zwei."
Der Deutschrocker Lindenberg bringt in seinem Schnodderstil auf den Punkt, was die jungen Leute von der "ST-Band" des Pfalzklinikums für Psychiatrie und Neurologie im pfälzischen Klingenmünster bewegt: Es geht immer irgendwie weiter, wenn du an dich selbst und die Freundschaft glaubst, lautet die Botschaft des Mutmacher-Songs.
Hoffnung haben die psychisch kranken Patienten im Alter von 16 bis 23 Jahren auch bitter nötig. Seit vielen Jahren sind sie in stationärer Behandlung. Sie sind das, was die Gesellschaft als "böse Buben" bezeichnet, sagt die Musiktherapeutin Saskia Schmitt. Wegen Gewalt- und Sexualdelikten oder anderer "sozialer Auffälligkeiten", wie es heißt, wurden die meisten der jugendlichen Bandmitglieder im Maßregelvollzug für schuldunfähige oder vermindert schuldfähige Straftäter untergebracht.
"Puzzle" - so heißt die neue CD der "ST-Band"
Dort, hinter den Mauern der psychiatrischen Klinik, ist das Band-Projekt und die CD-Produktion ein wichtiger Teil der Musiktherapie, sagt Schmitt. Gemeinsam mit ihrem Kollegen, dem Krankenpfleger Rudi Pericki, koordiniert sie die "ST-Band" - ST steht für sozialtherapeutisch - und die Aufnahme einer Musik-CD im Bandraum der Klinik.
Bereits drei CDs hat die "ST-Band", die eigentlich aus zwei Teilbands mit insgesamt zehn Mitgliedern besteht, bisher eingespielt. Stolz sind die Musiker darauf, dass sie für ihr Band-Projekt 2007 den bundesweiten Pflege- und Erziehungspreis der Kinder- und Jugendpsychiatrie erhielten.
"Puzzle" soll das neue Klangwerk mit 33 Titeln heißen, das zum Jahresende im Selbstverlag erscheinen soll. Von Deutsch-Pop über Rap bis zu Blues reicht die musikalische Bandbreite der Doppel-CD mit einer Spiellänge von zweimal 80 Minuten. Neben Fremdversionen von Titeln etwa von den "Söhnen Mannheims" gibt es auch einige selbst geschriebene Songs des 21-jährigen Gitarristen Patrick.
Sich im richtigen Moment in den Vordergrund spielen
Ein Musikinstrument zu lernen, gemeinsam zu musizieren und eine CD aufzunehmen, ist für die jungen Leute, die oft auch eine Suchtkarriere hinter sich haben, ein willkommenes Stück Freiheit. "Man kann sich ablenken, geht einer sinnvollen Freizeitbeschäftigung nach", sagt Schlagzeuger Christian, der schon in einem Musikverein die Trommel rührte. Alle anderen lernten ihr Instrument - Gitarre, Bass und Keyboards - erst im Pfalzinstitut.
Immer wieder zeigen die Musiker der "ST-Band" bei öffentlichen Auftritten, etwa bei Dorffesten, dass sie schon den richtigen Ton gefunden haben. Und mit den "Skills", den neu erworbenen persönlichen Fähigkeiten, werden die Jugendlichen nach dem Ende der Therapie draußen in der Gesellschaft besser zurechtkommen, ist Musiktherapeutin Schmitt überzeugt.
Spielerisch arbeiten die psychisch kranken Jugendlichen beim Musikmachen an ihrer Persönlichkeit, sagt Schmitt: Sie lernen Aggressionen abzubauen und üben soziale Kompetenzen ein. Dazu zähle auch, was einen guten Musiker ausmache: Team- und Konzentrationsfähigkeit, das Einhalten von Regeln. Und das Selbstvertrauen, sich im richtigen Moment in den Vordergrund zu spielen - und dann wieder zurückzunehmen.