Die weit überwiegende Mehrheit der Befragten gibt an, großen Wert auf umweltfreundliche Energie zu legen, doch nur etwa jeder Fünfte wechselt tatsächlich den Anbieter. Und die meisten achten vor allem auf den Preis und weniger darauf, woher der Strom kommt. Nur so ist der Erfolg von Billigmarken wie Yello Strom zu erklären. Keiner setzt hierzulande mehr auf Kernenergie als Yello Strom: Das Tochterunternehmen des drittgrößten deutschen Energieunternehmens EnBW bezieht mehr als drei Viertel seines Stroms aus Atomkraft und den fossilen Brennstoffen Kohle, Öl und Gas. "Bei Strom und Gas zählt nicht die Umwelt, sondern der Preis", meldete das Verbraucherportal Verivox - genau einen Tag vor dem japanischen Erdbeben.
Wenn sich das Gewissen rührt
Möglicherweise ändert sich das jetzt. Die Katastrophenbilder aus Japan haben das schlechte Gewissen vieler Kunden geweckt - allein beim Ökostromanbieter Greenpeace Energy hat sich die Zahl der Neuanmeldungen seit dem Atom-Desaster von Fukushima verachtfacht. Viele haben plötzlich kein gutes Gefühl mehr dabei, Atomstrom zu beziehen. Ihre bisherige Bilanz können Sie leicht überprüfen: Eine Infografik des Stern zeigt den tatsächlichen Strommix von zwei Dutzend Energieunternehmen und deren Anteil an Atom-, fossil erzeugtem und Ökostrom.
Die wichtigste Maßnahme für Umweltbewusste freilich ist noch schneller erledigt als der Anbieterwechsel: Stromsparen. Vor allem Stand-by-Geräte wie nicht richtig ausgeschaltete Fernseher und in der Steckdose vergessene Netzteile belasten die Umwelt und das Portemonnaie gleichermaßen. Schätzungen zufolge braucht es in Deutschland die Energie eines ganzen Atomkraftwerks, um allein diese Dauerverbraucher zu betreiben. Klare Empfehlung: Ausschalten oder gleich ganz den Stecker ziehen.
Stromfresser ausmustern
Auch alte Kühlschränke - die schließlich rund um die Uhr in Betrieb sind - sowie Strom und Wasser verschwendende Waschmaschinen kommen teuer und sollten unbedingt durch energiesparende Geräte ersetzt werden. Das lohnt sich bald. Manche Händler bieten zudem zinsfreie Ratenzahlung an - so wird die Investition auch für weniger Betuchte erschwinglich.
Als nächstes stellt sich die Frage nach der Energiequelle. Herkömmlicher Strom kommt aus Kraftwerken, die mit Atomenergie, Kohle, Gas oder Öl betrieben werden. Alternative Energiequellen sind Erdwärme, Biomasse, Sonnen-, Wasser- oder Windkraft. Nicht alle dieser Energiequellen sind "regenerativ", also sich selbst erneuernd, und jeder Anbieter setzt auf einen etwas anderen Mix. "Ökostrom" muss aber aus mindestens 50 Prozent erneuerbaren Energien stammen. Wer noch konsequenter, sprich: komplett umweltfreundlich sein will, achtet auf die Prüfsiegel "Grüner Strom" und "ok-power". Sie garantieren für ausschließlich regenerative Energiequellen.
Sieh an: Der Wechsel ist supereinfach
Im Prinzip liefert fast jeder Anbieter an fast jeden Kunden in Deutschland - ein Flensburger kann also auch von bayerischen Kleinunternehmen Strom beziehen. Das Schöne dabei: Wechselwillige müssen sich um fast nichts kümmern, weil alle Vertragsformalitäten und die Kündigung beim bisherigen Versorger der neue Anbieter übernimmt. Wissen muss man nur drei Dinge: den Namen des Kunden (in der Regel der eigene), den Namen des bisherigen Versorgers (der Stromrechnung zu entnehmen) und die Nummer des Stromzählers (steht sowohl auf dem Gerät als auch auf der Stromrechnung).
Diese Daten übermittelt man dem neuen Anbieter, zum Beispiel auf dessen Internetseite - fertig. Der neue Lieferant kümmert sich um alles Schriftliche und die Wechselfristen. Die Wechselbestätigung kommt automatisch per Post; je nach Kündigungsfrist des bisherigen Vertrags folgt einige Zeit später die Bestätigung, dass man ab sofort Ökostrom bezieht. Neue Stromzähler oder gar neue Leitungen gibt es nicht.
Doch von welchem Anbieter sollte man Ökostrom beziehen? Dafür machen wir hier verschiedene Vorschläge für eher bequeme Kunden, die sich mit dem Thema möglichst wenig beschäftigen wollen, für Preisbewusste, die vor allem den billigsten Ökostrom beziehen wollen, und für politisch denkende Menschen, die mit ihrem Geld bestimmte Projekte oder Regionen fördern möchten.
Die schnelle Variante
Wer es möglichst bequem haben möchte, wechselt einfach zu einem der großen konzernunabhängigen Ökostromanbieter. Die Initiative "Atomausstieg selber machen!" empfiehlt vier Unternehmen, die nicht nur sauberen Strom anbieten, sondern überdies ihre Gewinne in umweltfreundliche Energieprojekte investieren. Ein wichtiger Punkt für Kunden, die dem Öko-Engagement von Atomkonzernen wie Vattenfall und RWE misstrauen. Greenpeace Energy, LichtBlick, die Elektrizitätswerke Schönau und Naturstrom arbeiten ausschließlich mit erneuerbaren Energien, auch die Kundenzufriedenheit ist bei ihnen Umfragen zufolge hoch. Die Preise für Privatkunden bewegen sich in der Höhe der üblichen Basistarife örtlicher Großversorger oder ein wenig darüber. Die genannten Unternehmen sind zudem am Markt so verankert, dass sie kaum in der Gefahr stehen, pleitezugehen.
Die Geizhals-Variante
Auch bei Ökostrom gibt es Billiganbieter. Wem es egal ist, wohin die Gewinne aus dem Stromverkauf fließen, solange der Preis stimmt, kann beim Umstieg auf grünen Strom im Vergleich mit den üblichen Basistarifen der regionalen Grundversorger je nach Haushaltsgröße durchaus einige Hundert Euro im Jahr sparen - und landet möglicherweise bei einem der Branchenriesen wie EnBW und E.ON, die längst ihrerseits grünen Strom anbieten.
Am bequemsten geht der Preisvergleich über Internetportale wie www.verivox.de, www.tarifvergleich.org, www.stromkosten-senken.de, www.billig-strom.de, www.stromvergleich.de und www.strompreise.de.
Zu beachten ist aber: Weniger als die Hälfte der Ökostromtarife weist ein Gütesiegel auf, über die Herkunft des Stroms werden keine Angaben gemacht. Das ist Absicht. Manche Versorger tauschen über sogenannte RECS-Zertifikate sogar eigenen Atom- und Kohlestrom auf dem freien Markt gegen Ökostrom und verkaufen ihn dann den Kunden als "Öko" - für die Abnehmer eine Frage des Gewissens, ob sie sich daran beteiligen wollen oder nicht doch lieber auf die moralisch einwandfreien Anbieter mit Ökosiegel setzen.
Die politische Variante
Über kaum ein politisches Thema der vergangenen Jahrzehnte wurde so heftig gestritten wie um die Frage der Energieversorgung. So wundert es nicht, dass viele mit dem Wunsch nach umweltverträglich erzeugtem Strom auch ein politisches Anliegen verbinden: Das Geld soll in die richtigen Kanäle fließen statt in die Kassen von Erzeugern, die nach wie vor in erster Linie auf Kohle und Atom setzen.
Die Schönauer "Stromrebellen", dem Fachportal "Stromanbieter" zufolge "vielleicht die spektakulärste Ökostrom-Erfolgsgeschichte Deutschlands", haben sich in jahrzehntelangem Kampf gegen Behördenbremser und Energiekonzerne zu einem der größten unabhängigen Ökostromanbieter entwickelt. Ein erheblicher Teil der erlösten Gewinne fließt in Umweltinitiativen.
Daneben produzieren inzwischen immer mehr Städte und Kommunen ihre Energie unabhängig. Für die Kunden kann auch das ein politisches Statement sein: nach all den Jahren oft zweifelhafter Privatisierung lebenswichtiger Versorgungsbereiche nun wieder die eigene (oder fremde) Kommune zu stärken. Die kommunalen Versorger, die ihren Strom auch in andere Regionen der Republik liefern, sind in den Online-Strompreisrechnern (siehe oben) enthalten. Alternativ kann man im Internet mit der Eingabe der eigenen oder nächstgrößeren Stadt und dem Suchbegriff "Strom" suchen.
"Wir haben konsequent alle unsere Haushaltskunden auf klimaguten Strom umgestellt, und das ohne Aufpreis", werben etwa die Stadtwerke Barmstedt bei Lüneburg für ihr günstiges Stromangebot, das sich an Norddeutsche richtet. Die Kommune stellt einen Teil des Strombedarfs in umweltfreundlicher Kraft-Wärme-Kopplung her, ist Miteigentümer eines Windenergieparks an der Westküste und betreibt eine 12-kW-Photovoltaikanlage. Die regionale Herkunft steht allerdings nicht überall auch für umweltfreundliche Erzeugung - regional ist keineswegs automatisch öko.
Wieder einmal kritisch: die Laufzeiten
Wie bei Handyverträgen und Leasingraten sind schließlich die Vertragslaufzeiten auch beim Stromkauf ein kritischer Punkt. Faustregel: Eine Abnahmeverpflichtung von zwei Jahren ist zu lang. Im Vertrag sollten zwölf, besser sechs Monate stehen, mit einer Kündigungsfrist von einem Monat oder wenig mehr.
Festpreisangebote wiederum sind eine Art Wette auf den Strommarkt - wenn die Preise fallen, zahlt der Kunde drauf. Ganz abzuraten ist von Vorauszahlungen und "Kautionen", die meist mit Billigangeboten von Kleinanbietern gekoppelt sind. Gehen die pleite, ist das Geld verloren, und das vermeintliche Schnäppchen wird ziemlich teuer.
Ob schnelle, Geizhals- oder politische Vriante - eine Beruhigung gilt für alle: Der Wechsel ist absolut risikolos. Fällt der gewählte Stromlieferant aus welchen Gründen auch immer aus, bleiben zu Hause die Lichter dennoch an. Im Notfall springt ein anderer Anbieter ein, denn die "Grundversorgung" des privaten Haushalts ist per Gesetz immer garantiert. Beim Wechsel des Telefon- oder Internetanbieters erfahren viele Kunden leidvoll, was eine "Versorgungslücke" ist. Beim Strom gibt es das nicht.
Weitere Informationen zum Stromanbieterwechsel hat die Verbraucherzentrale in einem kostenlosen Flyer zusammengestellt - für alle, denen der Atomausstieg am Herzen liegt.
Thomas Östreicher ist freier Mitarbeiter bei evangelisch.de.