In einem Interview mit der französischen Sonntagszeitung "Journal du Dimanche" forderte Gaddafi eine Untersuchung des Aufstandes gegen sein Regime durch eine Kommission der Vereinten Nationen oder der Afrikanischen Union. "Wir werden ein solche Gruppe ungehindert arbeiten lassen", sagte er der Zeitung und zeigte in dem Interview Unverständnis für die Haltung der internationalen Gemeinschaft: "Ich bin erstaunt, dass niemand versteht, dass dies ein Kampf gegen den Terrorismus ist", sagte er.
"Unsere Geheimdienste arbeiten zusammen. Wir haben euch in den letzten Jahren viel geholfen. Also warum hilft uns nun im Gegenzug niemand, wenn wir hier in Libyen gegen Terrorismus kämpfen?", fragte Gaddafi und warnte zugleich vor einem Heiligen Krieg der Islamisten im Mittelmeerraum.
Westerwelle will weitere weltweite Sanktionen
Während Gaddafis Truppen weiter versuchen, die an die Regimegegner verlorene Stadt Al-Sawija westlich von Tripolis wieder unter Kontrolle zu bringen, hat die Bundeswehr über 400 aus Libyen geflohene Ägypter aus Tunesien abgeholt. Drei Schiffe der deutschen Marine legten in der Nacht zum Sonntag im tunesischen Hafen Gabes ab, um insgesamt 412 ägyptische Gastarbeiter in die ägyptische Hafenstadt Alexandria zu bringen. Die Fahrt über das Mittelmeer soll rund 67 Stunden dauern.
Der Bundeswehreinsatz ist Teil einer internationalen Hilfsaktion zur Bewältigung des Flüchtlingsstroms aus Libyen. Auch zwei Flugzeuge der US-Marine brachten in der Nacht 132 Ägypter aus dem tunesischen Djerba in ihre Heimat, wie das Außenministerium in Washington mitteilte.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) forderte weitere Sanktionen gegen Gaddafis Regime. "Was in Libyen geschieht, erfüllt mich mit größter Sorge", sagte er der "Welt am Sonntag". Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen müsse sich erneut mit der Lage befassen. "Gezielte Sanktionen sind notwendig gegen diejenigen, die für die Verbrechen gegen das libysche Volk verantwortlich sind", sagte Westerwelle.
Regimegegner wollen Flugverbotszone, aber keine ausländischen Truppen
Der von den Regimegegnern gebildete Nationalrat rief die internationale Gemeinschaft auf, mit einer Flugverbotszone Gaddafi daran zu hindern, "sein eigenes Volk zu bombardieren". Ein Eingreifen ausländischer Truppen auf libyschem Boden wurde hingegen strikt abgelehnt. Nach einem Bericht der "Sunday Times" wird eine Spezialeinheit der britischen Armee von Aufständischen im Osten Libyens festgehalten. Die bis zu acht SAS-Soldaten seien gefangen genommen worden, als sie einen britischen Diplomaten durch das von Aufständischen kontrollierte Gebiet begleiteten.
Der Diplomat eine Kontaktaufnahme mit den Regimegegnern vorbereiten wollen, hieß es. Sprecher des Außen- und des Verteidigungsministeriums in London wollten den Bericht weder bestätigen noch dementieren, meldete die britische Nachrichtenagentur PA am Sonntagmorgen. In Libyen werden auch drei niederländische Marineflieger vom Gaddafi-Regime festgehalten. Sie hatten Mitte der Woche versucht, zwei Holländer aus der Stadt Sirte auszufliegen und waren dabei von Regierungstruppen gefangen genommen worden.
Militärische Lage weiter unübersichtlich
Die militärische Lage war weiter unübersichtlich. Nachdem Aufständische am Samstag erneut einen Angriff der Gaddafi-Armee auf die Stadt Al-Sawija abgewehrt hatten, formierten sich die Truppen mit Panzerunterstützung neu und zogen einen Ring um das Zentrum der Stadt westlich von Tripolis. Den ganzen Tag über kam es zu Kämpfen. Es soll viele Todesopfer gegeben haben, die genaue Zahl blieb unbekannt. Krankenhausärzte sprachen von bis zu 250 Verletzten.
Im Osten sind die Rebellen offensichtlich weiter auf dem Vormarsch. Am Samstag festigten sie ihre Kontrolle über den in der Nacht zuvor eroberten Ölhafen Ras Lanuf. Rebelleneinheiten stießen außerdem weiter in westlicher Richtung auf Sirte vor. Die Geburtsstadt Gaddafis galt bislang als Hochburg seiner Milizen. Nach Berichten des arabischen Nachrichtensenders Al-Dschasira soll es aber dort zu einer Spaltung zwischen den maßgeblichen Stämmen gekommen sein.