Nach dem neu vorgestellten Gesetzentwurf soll die PID komplett verboten werden. Ärzte, die dem Verbot zuwiderhandeln, müssen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe rechnen, heißt es in dem neuen Paragrafen, den die Abgeordneten im Gendiagnostikgesetz verankern wollen. "Wir möchten nicht in einem Land leben, in dem Einzelne entscheiden, welches Leben sich entwickeln darf und welches nicht", sagte Ulla Schmidt (SPD). Die PID sei immer mit Auslese verbunden.
Die ehemalige Bundesgesundheitsministerin verwies auf den medizinischen Fortschritt. Eine Beschränkung der PID habe auf Dauer keinen Bestand. Die Zulassung wäre daher ein Paradigmenwechsel.
Göring-Eckardt (Foto), die auch Chefin des Kirchenparlaments der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist, mahnte Ehrlichkeit gegenüber den betroffenen Eltern an. Eltern, die aufgrund einer genetischen Belastung Angst vor einem behinderten Kind hätten, werde die Garantie auf ein gesundes Kind durch PID suggeriert. "Dieses Heilsversprechen ist nicht erfüllbar", sagte Göring-Eckardt.
Anschließende Abtreibung nicht ausgeschlossen
Auch die Linken-Abgeordnete Kathrin Vogler wies darauf hin, dass 95 Prozent der Behinderungen nicht durch genetische Abweichungen oder Chromosomenstörungen verursacht würden, sondern durch Krankheiten oder bei der Geburt entstünden. Auch nach Gentests am Embryo würden die meisten Frauen genetische Untersuchungen während der Schwangerschaft (Pränataldiagnostik) vornehmen lassen, so dass eine Abtreibung nach PID nicht ausgeschlossen sei.
Einen Wertungswiderspruch zur Zulässigkeit der Pränataldiagnostik (PND) und der Straffreiheit von Abtreibungen sahen die Abgeordneten nicht. Es handele sich um unterschiedliche Konflikte, sagte Günter Krings (CDU). Eine Spätabtreibung sei nur zulässig, wenn der Grund dafür bei der Mutter liege.
Pascal Kober (FDP) erwähnte das gesellschaftliche Bewusstsein, das durch Gesetzgebung verändert werden könne. Die PND sei ursprünglich nicht so gedacht gewesen, dass Frauen das Recht haben sollten, zu entscheiden, ob sie das Kind austragen sollten. Die Diagnostik während der Schwangerschaft sei wegen früher Therapiemöglichkeiten gerechtfertigt gewesen. Eine Zulassung der PID könne das Rechtsbewusstsein ebenso verändern. Auch Ulla Schmidt betonte, dass die personale Konfliktsituation der Schwangeren nicht zu vergleichen sei mit den Konflikten, in denen sich Paare befänden, die eine PID vornehmen lassen wollten.
Der Vorsitzende der Lebenshilfe, Robert Antretter, sagte, mit dem Verbot könne verhindert werden, dass das medizinische Optimierungsstreben immer weiter um sich greife. Ein PID-Verbot sei kein christlicher Sonderweg, betonte ZdK-Präsident Alois Glück. Auch eine eng begrenzte Zulassung bringe auf lange Sicht mehr Leid, als man zu vermeiden hoffe.
Bundesgerichtshof kippte bestehendes Verbot
Bei der Präimplantationsdiagnostik werden im Reagenzglas erzeugte Embryonen vor dem Einpflanzen in den Mutterleib auf Erbkrankheiten gentechnisch untersucht. Mit dem Verfahren, das eine Selektion der Embryonen ermöglicht und so die Weitergabe von Krankheiten oder Behinderungen verhindern soll, können aber auch das Geschlecht und weitere Merkmale untersucht werden. Geschädigte Embryonen werden verworfen. Derzeit wird über eine gesetzliche Neuregelung debattiert, weil der Bundesgerichtshof im Juli 2010 das bisherige Verbot gekippt hatte.
Eine andere fraktionsübergreifende Gruppe um die Abgeordneten Ulrike Flach (FDP) und Carola Reimann (SPD) setzt sich für die Zulassung der PID bei schweren Erbkrankheiten ein. Die dritte Gruppe um René Röspel (SPD) und Priska Hinz (Grüne) will die Grenzen enger ziehen und PID nur erlauben, wenn eine Fehl- oder Totgeburt drohen oder das Kind im ersten Lebensjahr sterben würde. Das Gesetz soll noch vor der Sommerpause verabschiedet werden.
Debatte auch in Frankreich
Auch das französische Parlament diskutiert gegenwärtig über medizinethische Fragen. Am Dienstag begannen in der Nationalversammlung Beratungen über die entsprechenden Gesetze. Im vorliegenden Entwurf geht es um Regelungen zu Organspende, Embryonen- und Stammzellforschung, vorgeburtlicher Diagnostik, Gentests an Embryonen, Samenspende und Fortpflanzungsmedizin. Im Laufe der Woche werden kontroverse Diskussionen im Parlament erwartet.
Im Parlamentsausschuss wurden mehr als 100 Änderungen entschieden und zahlreiche Vorschläge im Entwurf der ehemaligen Gesundheitsministerin Roselyne Bachelot gestrichen. Anders als Bachelot wollen die Parlamentarier an der Anonymität von Samen- und Eizellenspendern auch künftig festhalten. Gesundheitsminister Xavier Bertrand, der den Entwurf im Parlament erläuterte, ist gegen weitreichende Änderungen. "Wir brauchen keine Revolution in der Bioethik", sagte das Regierungsmitglied der Tageszeitung "Libération" (Dienstag).
Vor den Beratungen der Nationalversammlung häufen sich Petitionen und Appelle an die Abgeordneten. Ein Sprecher des Verbandes anonyme Fortpflanzungshilfe, selbst Kind von Samenspenden, begann einen Hungerstreik aus Protest gegen die Beibehaltung der Anonymität von Spendern. Die Beratungen im Parlament dauern voraussichtlich eine Woche. Am 15. Februar soll der Text in erster Lesung verabschiedet werden. Das Bioethikgesetz von 1994 sieht regelmäßige Revisionen vor. Eine erste Änderung war 2004 verabschiedet worden.