Christ in Afghanistan von Todesstrafe bedroht

Christ in Afghanistan von Todesstrafe bedroht
Dem Afghanen Sayed Mussa droht die Todesstrafe, weil er vom Islam zum Christentum übergetreten ist. Auch in Deutschland wächst die Sorge um den 46-jährigen Mitarbeiter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), der seit neun Monaten in Haft ist.
07.02.2011
Von Agnes Tandler

"Das Menschenrecht auf Religionsfreiheit schließt die Freiheit zum Religionswechsel ausdrücklich ein", sagte der Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Martin Schindehütte, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Am Wochenende hatte die "New York Times" den Fall des 46-jährigen Afghanen bekanntgemacht.

Das Leben ging mit Mussa nicht freundlich um. Der Afghane wuchs im bettelarmen Hochland der Bamiyan-Provinz auf, als Schiit unter den mehrheitlich sunnitischen Muslimen in Afghanistan. Mussa gehört zu den Hasara, einer ethnischen Minderheit, die in Afghanistan diskriminiert und benachteiligt wird.

Er trägt eine Prothese. Als junger Mann verlor er ein Bein, als er im Dienst der afghanischen Armee auf eine Landmine trat. Damals kämpfte er an der Seite der sowjetischen Armee gegen Islamisten. Seit rund 16 Jahren arbeitet Mussa für das IKRK und hilft anderen Amputierten, von denen es in Afghanistan wegen der Kriege und Landminen viele gibt. Doch im Mai 2010 wurde der Vater von sechs Kindern verhaftet, wie das IKRK in Genf am Montag bestätigte.

Nach dem Scharia-Gesetz

Alles hat damit angefangen, dass Mussa vor neun Jahren zum Christentum fand. Die afghanische Verfassung garantiert zwar die freie Religionsausübung. Doch den Richtern steht es frei, nach dem islamischen Scharia-Gesetz zu urteilen, das einen Religionswechsel als Gotteslästerung ansieht, die mit dem Tode bestraft werden kann.

Mussas Verhaftung im Mai kam zu einem Zeitpunkt, als afghanische Fernsehsender über ausländische Organisationen berichteten, die angeblich Afghanen zum Christentum bekehrten. Die Regierung schloss die Büros zweier christlicher Hilfswerke, der Norwegian Church Aid und des Church World Service. Die Vorwürfe wurden eingehend untersucht, obwohl die Anschuldigungen haltlos waren. Dennoch gab es in Kabul tagelang wütende Straßenproteste. Mussas Inhaftierung passte da gut ins Stimmungsbild.

Mussa erzählte einem Reporter der "New York Times", der ihn im Gefängnis besuchte, wie er im Bürgerkrieg der 90er Jahre zum Christentum fand: Der selbstlose Einsatz zweier Ausländerinnen habe ihn beeindruckt, die mit bloßen Händen nach Überlebenden suchen halfen, als ein Nachbarhaus in Kabul durch Bomben in Trümmer sank. Sie seien Christinnen gewesen, sagte Mussa. Das habe ihn dazu bewegt, später den Glauben zu wechseln.

Schicksal ist unklar

Mussas Schicksal ist unklar. Auf Druck der amerikanischen Botschaft sei der Mann in ein Gefängnis verlegt worden, in dem er vor gewaltsamen Übergriffen durch andere Häftlinge sicher sei, berichtete die "New York Times". IKRK-Mitarbeiter besuchten den früheren Kollegen bislang vier Mal in seiner Haftzeit, sagte ein Sprecher in Genf. Ein Prozess wurde immer wieder verschoben. Ein Richter hat einen ausländischen Rechtsanwalt abgelehnt. Mussa sagte der Zeitung, sein afghanischer Verteidiger sei mehr ein Ankläger als ein Rechtsbeistand.

Ein Fall wie der von Mussa ist in Afghanistan sehr selten. Ein Mann, der 2006 zum Tode verurteilt worden war, weil er konvertiert war, erhielt in Italien Asyl. In der Regel bemühen sich ausländische Organisationen gemeinsam mit den afghanischen Stellen diskret um eine Lösung. Sie befürchten eine öffentliche Empörung, falls die Fälle publik werden.

Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, hatte das Thema Glaubenswechsel bei seinem Afghanistan-Besuch in der vergangenen Woche angesprochen. Schneider erfuhr von einem inhaftierten Christen im Norden des Landes, für den sich die afghanische Menschenrechtskommission einsetzt. Die Menschenrechtler werden deshalb angefeindet: Es gab Drohbriefe und eingeschlagene Fensterscheiben.

epd