Eine neue Regierung in Ägypten müsse auf einer "breiten Basis" stehen, verlangten die EU-"Chefs" am Freitag zum Abschluss ihres Gipfeltreffens in Brüssel. "Der Übergang muss jetzt beginnen", heißt es in einer Erklärung, die während der Konferenz noch verschärft wurde. Einen Rücktritt des ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak fordert die EU nicht - sie bezog zu dem 82-jährigen Machthaber am Nil explizit keine Stellung.
Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi tanzte aber aus der Reihe. Mubarak solle den Übergang in seinem Land führen. "Ich hoffe, dass es in Ägypten einen Übergang zu einem demokratischeren System ohne Umsturz geben kann, mit einem Präsidenten wie Mubarak, der vom Westen - angefangen von den USA - stets als weiser Mann und Referenzpunkt betrachtet wurde." Berlusconi sagte weiter, verglichen mit der Zahl von rund 80 Millionen Einwohnern Ägyptens seien die Demonstranten in den Straßen nur wenige. "Doch sie sind ein Zeichen eines allgemeinen Unwohlseins nicht nur Ägyptens, sondern auch anderer Länder."
Buzek: "Der Ruf des Volkes ist laut und deutlich"
Die EU-"Chefs" verdammen die Gewalt in Ägypten und fordern freie und faire Wahlen. Die Regierung solle dem Willen der Landesbevölkerung nicht mit Unterdrückung, sondern mit politischen Reformen begegnen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach sich für einen "geordneten, friedlichen und demokratischen Übergang" aus. "Der Europäische Rat verurteilt die Gewalt und alle, die Gewalt verwenden und befürworten, aufs Schärfste", erklärten die Gipfelteilnehmer. Sie zeigten sich "äußerst besorgt" über die sich verschlechternde Situation in Ägypten. Alle Bürger hätten das Recht, frei und friedlich zu demonstrieren. Inakzeptabel seien auch Aggressionen und Einschüchterungsversuche gegen Journalisten und Menschenrechtler.
EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek warf der EU indirekt Zögerlichkeit vor. "Der Ruf des Volkes nach einem demokratischen Wechsel ist laut und deutlich", sagte Buzek während des Brüsseler Gipfeltreffens. "Dies darf uns nicht länger gleichgültig sein. Wir müssen bereit sein, den Wandel zu unterstützen", unterstrich der christdemokratische polnische Politiker. Der sozialdemokratische Fraktionschef Martin Schulz verlangte einen Rückzug Mubaraks. "Der Europäische Rat sollte heute unmissverständlich erklären, dass Mubaraks Zeit abgelaufen ist", hatte Schulz während des Gipfeltreffens gesagt. "Die Staats- und Regierungschefs machen es sich zu leicht, wenn sie nur die Gewalt verurteilen."
EU soll in Kairo mit einer Stimme sprechen
Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton soll schon bald nach Ägypten und Tunesien reisen, um Vorschläge für Partnerschaften zu machen. Diplomaten sagten, die Britin könnte schon nächste Woche in die Krisenregion fahren. Ashton solle rasch Vorschläge machen, wie die Wirtschaft in den beiden Ländern angekurbelt und wie sozialen Problemen begegnet werden könne. Belgiens Premierminister Yves Leterme nahm Ashton in Schutz: "Europa muss mit einer Stimme sprechen, mit der Stimme von Frau Ashton", forderte er.
Die EU bietet laut Gipfelerklärung allen reforminteressierten Staaten in der Region Hilfe an. Diese könne etwa aus der Stärkung der demokratischen Institutionen, der Förderung der demokratischen Regierungsführung und der sozialen Gerechtigkeit sowie der Hilfe bei freien und fairen Wahlen bestehen. Die EU versprach auch die Bereitstellung humanitärer Hilfe.