Osteuropäer haben es bei Hartz IV besonders schwer

Osteuropäer haben es bei Hartz IV besonders schwer
Für EU-Bürger aus osteuropäischen Ländern sind Hartz-IV-Ansprüche oft unklar. Schwierig wird es vor allem dann, wenn die Betroffenen krank und damit arbeitsunfähig werden. Doch ab Mai wird sich die arbeitsrechtliche Situation vieler Osteuropäer in Deutschland verbessern.
19.01.2011
Von Annette Scheld

Tanja S. aus Polen arbeitet schon seit zweieinhalb Jahren als Putzfrau in Deutschland. Jetzt ist sie schwanger und kann nicht mehr arbeiten, denn sie hat eine Schwangerschaftsdiabetes. Ihren Antrag auf Hartz IV hat die zuständige Behörde in Hamburg zurückgewiesen. "Mein Eindruck ist, dass viele Jobcenter solche Anträge prinzipiell erst einmal ablehnen, obwohl die Frau natürlich einen Anspruch hat", sagt Susan Weichenthal von der Evangelischen Auslandsberatung. Trotz verbindlicher EU-Richtlinien würden berechtigte Ansprüche oft nicht gewährt, kritisieren Wohlfahrtsverbände.

Für die junge Frau aus Polen konnte sie immerhin erwirken, dass ihr wenigstens vorübergehend Hartz IV gezahlt wird. Dies wiederum kann Folgen für ihren Aufenthaltsstatus haben. "Wenn jemand staatliche Leistungen bezieht, wird meistens der Aufenthalt begrenzt", sagt Maria Wojtas vom Migrationsdienst der Caritas in Brandenburg, die vor allem polnische Zuwanderer berät.

Ausländer bekommen falsche Bescheide

Die schwangere Polin aus Hamburg hat Glück: Ihr Kind wird die deutsche Staatsangehörigkeit bekommen - und damit darf sie bleiben. Aber auch Susan Weichenthal kann bestätigen: "Wer öffentliche Gelder bekommt, dem kann auch die Freizügigkeit entzogen werden. Das kann bis zur Aufforderung gehen, das Land zu verlassen."

Ansprüche von EU-Bürgern aus den osteuropäischen Ländern, die 2004 der EU beigetreten sind, sind immer wieder unklar. Das betrifft die Menschen aus Polen, Tschechien, der Slowakei, Lettland, Estland, Litauen, Ungarn und Slowenien. Besonders schwierig wird es, wenn diese Menschen durch Krankheit arbeitsunfähig werden. Zwar gibt es Gerichtsurteile und verbindliche Bestimmungen der Europäischen Union, in der Praxis werden aber dennoch berechtigte Ansprüche oft nicht gewährt. Die Betroffenen kommen mit falschen Bescheiden in die Beratungsstellen, berichten Wohlfahrtsverbände immer wieder.

Junge Frauen gehen in die Prostitution

Klar ist, dass in Deutschland niemand in den ersten drei Monaten seines Aufenthalts Anspruch auf Sozialleistungen hat. Diese Ansprüche müssen vielmehr erarbeitet werden. Das ist für die osteuropäischen EU-Bürger, deren Länder 2004 oder später beigetreten sind, besonders schwierig, da sie in Deutschland nur als Selbstständige arbeiten dürfen.

Eine abhängige Beschäftigung können sie laut Aufenthaltsgesetz nur als Saisonarbeiter aufnehmen, oder wenn sie bereits fünf Jahre und länger in Deutschland leben. Ist das nicht der Fall, muss der interessierte künftige Arbeitgeber nachweisen, dass es auf dem Arbeitsmarkt keinen vergleichbar qualifizierten deutschen Bewerber gibt. Diese sogenannte Vorrangprüfung wird von den Arbeitsagenturen meist nur für wenige meist akademische Berufe positiv beschieden.

Alle anderen dürfen in Deutschland nicht angestellt werden. Das betrifft oft junge Frauen. Aus ihrer Beratungspraxis weiß Susan Weichenthal, welche Folgen das haben kann: "Einige junge Frauen aus Osteuropa gehen hier in die Prostitution, weil sie keine andere Möglichkeit sehen. Viele haben eine Berufsausbildung, aber bekommen keine Arbeitserlaubnis."

Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU

Ab Mai 2011 gilt auch für Bürger aus Polen, Tschechien und sechs weiteren östlichen EU-Ländern die uneingeschränkte Arbeitnehmerfreizügigkeit. Damit wird sich ihre arbeitsrechtliche Situation verbessern. Trotzdem rechne sie nicht damit, dass viele kommen, sagt Maria Wojtas vom Migrationsdienst der Caritas. "Viele sind in den letzten Jahren nach Großbritannien gegangen." Denn dort wird bereits seit 2004 die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit für die neuen EU-Bürger gewährt.

Für die jüngsten EU-Bürger, die 2007 beigetreten sind - das sind Rumänen und Bulgaren -, gilt das allerdings nicht mehr. Sie müssen in fast allen EU-Ländern bis 2014 auf die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit warten. Bis dahin gilt für sie die eine Übergangsfrist, mit der die wohlhabenden EU-Länder ihre Arbeitsmärkte vor billigen Arbeitskräften aus den Mitgliedsstaaten schützen wollen. Die Gewerkschaften fordern als dauerhaft wirksamen Schutz vor Lohndumping einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. 

epd