Er durchtrennte den Eisernen Vorhang: Ji?í Dienstbier

Er durchtrennte den Eisernen Vorhang: Ji?í Dienstbier
Legendär wurde er durch die um die Welt gegangenen Fotos, die ihn beim Durchschneiden des Stacheldrahtes am Eisernen Vorhang zeigten. Am Samstag ist der ehemalige tschechoslowakische Außenminister Ji?í Dienstbier im Alter von 73 Jahren gestorben. Er erlag einer langen und schweren Krankheit.

Der ehemalige Dissident, Journalist und Politiker gehörte neben Ex-Präsident Vaclav Havel zu den wichtigsten Symbolfiguren der "samtenen Revolution" von 1989 in der damaligen Tschechoslowakei. Um die Welt gingen vor allem die Fotos, die ihn als ersten postkommunistischen Außenminister beim Durchschneiden des Stacheldrahtes am Eisernen Vorhang zu den Nachbarländern Deutschland und Österreich mit seinen Amtskollegen Hans-Dietrich Genscher und Alois Mock zeigten.

Die Information über den Tod des in Tschechien bis zuletzt beliebten Politikers erhielten die Medien von seiner Frau Ji?ína Dienstbierova. Das Paar hat einen Sohn und zwei Töchter; eine weitere Tochter starb bereits vor einigen Jahren. Der engere Freundeskreis wusste seit längerem, dass Dienstbier an einer schweren Krankheit litt. Zu diesem Vertrautenkreis gehörte auch der tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg, der über den Verstorbenen sagte: "Er war ein wunderbarer Mann. Wir hatten zwar unterschiedliche politische Auffassungen, aber das hinderte uns nicht daran, Freunde zu sein."

Journalist und Dissident

Auch Vaclav Havel, der erste postkommunistische Präsident der Tschechoslowakei und dann Tschechiens, teilte auf seiner persönlichen Internetseite mit, er habe den Tod Dienstbiers bereits kommen sehen. Noch am Samstagabend schrieb Havel: "Mir ist ein langjähriger Freund gestorben, mit dem ich viel gemeinsam erlebt habe. Ji?í Dienstbier ist in die Geschichte der modernen tschechischen Journalistik, Politik und Oppositionsbewegung eingegangen."

Havel erinnerte sich an die gemeinsame Zeit mit Dienstbier im kommunistischen Gefängnis: "Auch in schwersten Zeiten hat er uns stets mit seiner guten Laune aufgemuntert." In der Wendezeit vor zwei Jahrzehnten hatten in Prag die Reformer des von Dienstbier mitgegründeten Bürgerforums in der damaligen Tschechoslowakei die Macht von den Kommunisten übernommen. Mit Präsident Havel und Dienstbier als Außenminister führte die Demokratiebewegung ihr Land zurück in den westlichen Staatenverbund.

"Du musst Außenminister werden!"

Studiert hatte der am 20. April 1937 in Kladno in Mittelböhmen geborene Dienstbier Philosophie. In den 1960er Jahren berichtete er als Journalist für Radio Prag, auch aus dem Ausland. Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968, den er kritisch kommentiert hatte, wurde Dienstbier - dessen Name deutsche Wurzeln verrät - mit Berufsverbot belegt und arbeitete als Heizer, Archivar und Nachtwächter. 1977 unterzeichnete der Regimegegner mit anderen Dissidenten die Charta 77 und kam dafür anschließend drei Jahre ins Gefängnis. Legendär ist die Szene in der Wendezeit, als Havel zu Dienstbiers Arbeitsplatz in einem Heizkraftwerk kam und zu ihm sagte: "Du musst Außenminister werden!"

Politisch war Dienstbier dem sozialliberalen Spektrum zuzurechnen. Nach seinem Einsatz als Außenminister betätigte er sich in der Prager Kommunalpolitik, unterrichtete als Gastprofessor an in- und ausländischen Universitäten und wurde von der UN als Sonderberichterstatter in das zerfallende Jugoslawien geschickt. Die 1993 vollzogene Teilung der Tschechoslowakei bedeutete das Ende der Außenminister-Karriere von Dienstbier. Zuletzt saß Dienstbier für die Sozialdemokraten als parteiloser Abgeordneter im Senat. Er erhielt viele internationale Ehrungen, darunter auch das Bundesverdienstkreuz.

dpa