"Eine Eskalation der Spannungen zwischen den Religionen muss verhindert werden", sagte der Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), Olav Fykse Tveit, dem epd in Genf.
Am 9. Januar entscheiden die Bewohner des bislang halbautonomen Südsudan über eine Loslösung vom islamisch-arabisch geprägten Norden. Zu den bislang ungeklärten Fragen nach einer möglichen Trennung gehören der Grenzverlauf und die Verteilung von Einkünften aus Bodenschätzen. Die Regierung des Südens bezieht fast alle ihre Einkünfte aus dem Verkauf von Öl.
Tveit befürchtet, dass nach einer Loslösung des Südens die Christen im Norden noch mehr Repressalien ausgesetzt seien. Angehörige der christlichen Minderheit könnten zur Flucht gezwungen werden. "Der Norden muss die Rechte der Christen respektieren", verlangte der norwegische Lutheraner.
Im Süden hingegen gebe es viele Zeichen, dass die Rechte der muslimischen Minderheit beachtet würden. Die Bewohner des Südens sind mehrheitlich Anhänger alter afrikanischer Religionen sowie Christen.
Breite Zustimmung für Unabhängigkeit erwartet
Es wird eine breite Zustimmung für die Unabhängigkeit erwartet. Fachleute befürchten jedoch, dass der Norden den Willen der Südsudanesen wegen der reichen Ölvorkommen nicht anerkennen wird. Derzeit mehren sich die politischen Spannungen in dem nordostafrikanischen Land, Experten schließen ein Wiederaufflammen des Bürgerkriegs nicht aus.
Tveit betonte, jeder bewaffnete Religionskonflikt werde auf dem Rücken Unschuldiger ausgetragen. "Die Menschen im Sudan haben aber schon genug gelitten, ein neuer Konflikt ist das Letzte was sie brauchen", so der Theologe.
Der ÖRK-Generalsekretär erinnerte an den über 20-jährigen Konflikt zwischen Süd und Nord, der 2005 endete. Derzeit überwachen rund 10.000 UN-Blauhelme die Umsetzung des Friedensabkommens zwischen den Landesteilen. Bei dem Krieg wurden über zwei Millionen Menschen getötet.
Werben für ein friedliches Zusammenleben der Religionen
Tveit erklärte, dass seine Organisation Wahlbeobachter entsenden wolle: "Wir hoffen, dass die Abstimmung frei und fair sein wird." Zudem versuche der All-Afrikanische Kirchenrat (AACC) zu vermitteln.
Der frühere ÖRK-Generalsekretär Samuel Kobia sei als AACC-Gesandter im Sudan unterwegs. Tveit will nach dem Referendum in den Sudan reisen. Der ÖRK-Generalsekretär plant, zusammen mit muslimischen Repräsentanten für ein friedliches Zusammenleben der Religionsgemeinschaften zu werben. "Wir wollen unsere Hilfe bei der Überwindung der Spannungen anbieten", sagte er.
Der ÖRK umfasst rund 350 christliche Kirchen mit nach eigenen Angaben rund 560 Millionen Gläubigen. Auch sudanesische Kirchen zählen zu den ÖRK-Mitgliedern.