50 Minuten noch. Bis zum Ansturm müssen die Königsborner Tafel-Helfer - alle ehrenamtlich oder im Ein-Euro-Job - Berge von frischer und gespendeten Lebensmittel sichten, sortieren und in Lieferwagen verladen. Kohlköpfe und Salatköpfe, Körnerbrote und Apfelsinen, Pakete mit Eiern und Milch, mit Dauerwürsten und Chicorée.
"Wir sind aber einfach zu wenige ..."
Draußen warten die Fahrer, die mit sieben Autos die Ausgabestellen im Kreis Unna anfahren. "In Schwerte bauen wir gerade eine Tafel-Ausgabe auf", schildert Ulrike Trümper. Wie sie das mit der dünnen Personaldecke noch schaffen sollen, weiß sie noch nicht. "Nun ja", sagt sie, "man muss es schaffen, wer sollte es sonst machen." 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind es insgesamt. Davon sind zurzeit acht Personen krank.
Zum Glück gibt es heute Verstärkung: Annette Muhr-Nelson, Superintendentin des Kirchenkreises Unna, fasst zusammen mit ihrer Sekretärin Susanne Vogel an. Sie sind nicht gekommen, um sich kurz vorm Fest in Szene zu setzen, beteuern sie, sondern "um zu schauen, wie es den Leuten hier geht, und mitzuhelfen", so Murh-Nelson.
Gammelfrüchte werden aussortiert
Im Ausgabesaal des Paul-Gerhardt-Gemeindehauses kniet Annette Muhr-Nelson vor einer unsortierten Gemüsekiste. Erwartungsvoll blickt sie Rita Krolik an. Der „gute Geist“ der Königsborner Tafel reicht ihr ein Paar Plastikhandschuhe. Sie selbst trägt auch welche, Hygiene muss sein. "Jetzt die Möhren in diese Kiste, den Wirsing in die andere. Was gammelig ist, kommt hier hinein." Rita Krolik hält einen grünen Eimer gekippt: "Den holt der Bauer." Zweifelnd rollt die Superintendentin eine angeschimmelte Apfelsine zwischen ihren behandschuhten Fingern; "so was geht gar nicht", bestätigt ihr denn auch Rita Krolik. Plumps, rollt die Gammelfrucht in den Schweineeimer.
Unnaer Tafel ist auf Spenden angewiesen
Das Gute kommt ins Töpfchen, genauer gesagt in die Holzkisten, die nach Haushaltsgröße sortiert bereit stehen: für Singles, für bis zu fünf Personen und für mehr als fünf. Spezielle Diabetikerkisten enthalten nichts Zuckriges, in Kisten für junge Familien kommt zusätzlich Babynahrung. Eben je nach Bedarf.
Gut 300 Bedürftige aus Königsborn stocken bei der Tafel ihre wöchentlichen Lebensmittelrationen auf. Auf keinen Fall wolle die Tafel den eigenen Einkauf oder den verantwortlichen Umgang mit eigenem Geld ersetzen: "Wir sind kein Rundumversorger", stellt Ulrike Trümper klar.
520 Tonnen Lebensmittel werden pro Jahr verteilt
520 Tonnen Lebensmittel schlägt die Tafel jährlich im Kreis Unna um. Das ist immens. Das Geld muss ausschließlich über Spenden fließen. Allein 8.000 Euro Betriebskosten sind pro Monat zu decken. Ulrike Trümper leistet ihren Vorsitz deshalb unentgeltlich. Jeden Tag ist sie kreisweit unterwegs. Ihren Lebensunterhalt verdienst sie sich an Wochenenden und in Nachtschichten beim Drogen-Langzeitprojekt "Lüsa". Klienten der "Lüsa" haben oftmals auch bei der Tafel mit Ein-Euro-Jobs wieder Lebenssinn gefunden. Der Hilfsverein schafft so wichtigen Mehrwert: "Die Lüsa-Leute hätten nirgendwo sonst eine Chance erhalten", weiß Ulrike Trümper aus langjähriger Erfahrung in der Drogenhilfe.
Unnas Bürger geben gern
Bei allen Problemen: "Die Bürger von Unna sind freigiebig und haben vor Weihnachten wieder viele Geschenke abgegeben", freut sich die Vorsitzende. Im „Weihnachtszimmer“ türmen sich vor einem hübsch geschmückten Christbaum Hunderte von Paketen und Päckchen. Viele sind liebevoll verpackt, mit Sternen und Herzchen verziert. "Für einen Jungen, circa drei Jahre", steht auf dem einen; "für ein vier- bis fünfjähriges Mädchen" auf einem anderen.
Es fehlen Handys und MP3-Player
Vieles ist für Erwachsene dabei, doch kaum etwas für ältere Kinder. Trümper: "Wir bräuchten Handys und MP3-Player". Vermutlich wird noch eine zweite zweckgebundene Spendenaktion folgen, damit Kinder ab 12 Jahren wenigstens einen Gutschein geschenkt bekommen.
Im Ausgabesaal bückt sich Superintendentin Annette Muhr-Nelson zur sortierten Kiste und trägt die schwere Fracht bedachtsam zum Fahrer hinaus; der wartet schon mit laufendem Motor. Vor dem Gemeindehaus warten erste Besucher. Bedürftig.