Die Weltklimakonferenz in Cancún wird von viel Skepsis begleitet. Teilen Sie den Pessimismus in der internationalen Klimapolitik?
Klaus Töpfer: Angesagt ist eine realistische Einschätzung der Situation. Pessimismus und Resignation haben einem Thema noch nie gut getan.
Was halten Sie für erreichbar in Cancún?
Töpfer: Ich halte ganz konkrete Schritte für möglich, beim Schutz der Wälder, bei den Hilfen für Entwicklungsländer und beim Technologietransfer. Wälder sind wichtig für die Aufnahme von Kohlenstoff, Wälder sind Senken für das Treibhausgas Kohlendioxid. Ihr Schutz ist auch bedeutsam für die Entwicklung tropischer Länder und die Bewahrung der Artenvielfalt. Da muss auch Geld fließen. Norwegen hat schon deutliche Signale gegeben.
Wie sehen Sie den Nord-Süd-Konflikt über die Finanzierung?
Töpfer: Es ist ganz ohne jeden Zweifel sinnvoll und notwendig, dass wir den besonders unterentwickelten Ländern helfen, die bereits jetzt unter dem Klimawandel leiden, aber in keinster Weise für die Erderwärmung verantwortlich sind. Für die Anpassung an den Klimawandel brauchen diese Staaten finanzielle und technische Hilfe. Die Zusage vom Kopenhagen-Gipfel, 30 Milliarden US-Dollar bis 2012 verfügbar zu machen, muss konkret umgesetzt werden. Die Perspektive, bis 2020 hundert Milliarden Dollar pro Jahr bereitzustellen, muss ausverhandelt werden.
Was verbirgt sich hinter dem Stichwort Technologietransfer?
Töpfer: Durch die Verbreitung neuer Technologien gibt es hervorragende Möglichkeiten, der Energie-Effizienz und den erneuerbaren Energien zu einem neuen Push zu verhelfen. Deutschland hat daran besonderes Interesse, betrachtet man die hohe Wertschätzung, die große Bedeutung und die Welt-Vorreiterrolle, die der deutschen Industrie vor allem bei energie-effizienten Produkten und Produktionsprozessen zukommt.
Ist es nicht enttäuschend, dass bei neuen Minderungszielen für den CO2-Ausstoß bei den Staaten überhaupt kein Kompromiss in Sicht ist?
Töpfer: Eine vertragliche Regelung wäre natürlich sinnvoller, aber in Cancún gibt es andere Prioritäten. Wir sind zu stark darauf fixiert, uns mit Zielen zu beschäftigen, so wichtig sie auch sind. Die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls hat acht Jahre gedauert, und dann waren die USA doch nicht dabei. Das hat uns viel Zeit gekostet, statt konkret zu handeln - weil alle gesagt haben, erst muss das Protokoll ratifiziert werden, dann tun wir was.
Was raten Sie dem Politikern heute?
Töpfer: Ich halte es für völlig richtig, dass sich die Bundesrepublik - und mit ihr die EU - sehr ambitionierte und weitreichende Klimaziele setzt. Damit belegen die Europäer, dass man das tun kann, ohne die wirtschaftliche Stabilität zu gefährden. Deutschland sollte endlich davon abgehen, sich mit dem EU-Ziel einer Reduzierung der Treibhausgase um 20 Prozent bis 2020 zu begnügen, sondern auf 30 und mehr Prozent gehen.
Beim Thema Technologietransfer wird die Befürchtung laut, dass man damit das Entstehen wirtschaftlicher Konkurrenz in China und anderswo fördert.
Töpfer: Das Gegenteil ist der Fall. Sie können nicht darüber klagen, dass der Klimawandel ein globales Problem ist, und dann sagen, jeder muss seine Probleme selbst lösen. Es ist eine große Chance für eine technologisch führende Nation wie Deutschland, umweltfreundliche Verfahren verfügbar zu machen.
Auf Dauer werden wir nur eine gute Zusammenarbeit mit Ländern haben können, die wirtschaftlich stabil sind. Das wird dazu beitragen, dass auch andere Nationen in die Vermeidung von Umweltkosten investieren müssen. Dadurch wird sich eine Angleichung der Produktionskosten ergeben, was die deutsche Industrie immer fordert.
Sie erwarten also einen Wettlauf um die besten Lösungen?
Töpfer: Das gibt es schon in vielen Bereichen. Deutschland hat im Umweltbereich großartige Beispiele zu bieten: Die Kreislaufwirtschaft ist ein Exportartikel, der weltweit Furore macht, und das Energieeinspeisegesetz wird überall nachgeahmt. Wir haben Vorreiterrollen übernommen und andere dazu gebracht, es uns nachzutun. Wir haben davon profitiert und auch Arbeitsplätze bei uns gesichert.
Die zugesagten Klima-Finanzhilfen an arme Länder werden oft als Mogelpackung kritisiert, weil kaum neues Geld neben der Entwicklungshilfe zu erwarten ist. Wie sehen Sie das?
Töpfer: Es muss klar sein, dass die Industrieländer zusätzliche Mittel aufbringen, etwa aus dem Zertifikate-Handel mit CO2-Emissionen. Falls die Entwicklungsländer nämlich nachweisen könnten, dass hier nur Umbuchungstricks vorgenommen werden, wird man auch in anderen Fragen nicht weiterkommen. Hier muss Ehrlichkeit in der Unterstützung herrschen. Und dies nicht einmal aus humanitären Gründen, sondern weil es unsere industrielle Entwicklung war, mit der wir den Klimaveränderungsprozess entscheidend mit ausgelöst haben.
Man hat den Eindruck, in der Klimapolitik machen nun die USA und China das Spiel miteinander aus. Ist es richtig, vor allem auf die beiden Nationen mit dem größten CO2-Ausstoß zu schauen?
Töpfer: Wir müssen natürlich mit den beiden großen Nationen sprechen, die entscheidenden Anteil an der Belastung der Erdatmosphäre haben. Ich bin viel in China. Ich weiß, dass der neue 5-Jahres-Plan eine CO2-arme Wirtschaft zum Ziel hat. Das ist ökonomisch zwingend, denn die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes mit 1,3 Milliarden Einwohnern kann sich nicht allein auf fossile Energien stützen.
Auch in den USA tut sich einiges, wenn man auf einzelne Staaten, große Kommunen oder die Industrie schaut. US-Unternehmen wollen nicht zurückfallen bei den Energien, die die Zukunft bestimmen. Das sind Ansätze, die zeigen, dass hier eine Klimapolitik auch mit ökonomischer Rationalität verbunden wird.
Cancún ist also bei Ihnen noch nicht abgeschrieben? Werden Sie dort sein?
Töpfer: Nein, in Cancún muss herausgearbeitet werden, was unter den jetzigen Rahmenbedingungen möglich ist. Das ist existenziell notwendig für eine sinnvolle Klimapolitik. Aber ich fahre nicht hin, ich bin Pensionär.