Eines der beiden Mobiltelefone von Marek Poryzala düdelt eine sanfte Melodie - mit einem Schritt verlässt der katholische polnische Priester seinen fünf Quadratmeter großen Wohn- und Schlafraum, um sich ungestört mit einer Prostituierten zu unterhalten. "Alina" hat den Geistlichen im Fernsehen gesehen, sie will seine Hilfe beanspruchen, sie will aussteigen. Durch ein paar Sendungen ist er kürzlich bekannt geworden, als ein Priester im Ornat, der sich um die Prostituierten auf dem Straßenstrich vor Tschenstochau kümmert. Die Stadt birgt mit dem Bildnis der schwarzen Madonna Polens Nationalheiligtum. Dort verläuft aber auch die Fernstraße E 75 und auf ihr stehen die Prostituierten, hier zumeist aus Bulgarien.
"Hallo, darf ich mit Dir einen Rosenkranz beten" - dies ist sein Annäherungsversuch bei seiner "Feldarbeit" auf dem Strich, der anfangs allerdings oft missverstanden wurde. Mit seinem "Sündenmobil", einem roten Citroen, der mit seiner Homepage "grzechy.com" (sünden.com) beschriftet ist, fährt er die Straßen ab, auch landesweit. Seine "Töchter im Geiste", wie er sie nennt, versorgt er mit Tee, Heiligenbildchen und Gesprächen: "Wichtig ist, dass ich ihnen nicht von oben herab, als reiner Priester entgegen trete, dass ich sie respektiere." Auch er sei nicht ohne Sünde, meint der starke Raucher, der die üblichen vulgären Ausdrücke für sexuelle Praktiken ohne Zögern ausspricht.
Drohungen aus dem Milieu
Viele Priester in Polen hätten Schwierigkeiten im seelsorgerischen Umgang mit Prostituierten, so Poryzala. Er selbst wurde in Frankreich seelsorgerlich geschult. Der Kontakt zu Menschen am Rand der Gesellschaft sei dabei täglich geübt worden. Zwei Frauen konnte der 48-Jährige nach eigenen Angaben schon von der Prostitution abbringen. Drohungen aus dem Milieu blieben dabei nicht aus. Nun will Poryzala in den Medien für den Bau eines katholischen Heims für Ex-Prostituierte werben: Dort soll eine "innerliche Läuterung", ein Wandel durch Beten und Arbeiten stattfinden.
In Polen gehen nach dem letzten "Human Rights Report" 20.000 Frauen der Prostitution nach, polnische Journalisten schätzen ihre Zahl zehn Mal höher ein. Nach einer UNO-Expertise wachse der Menschenhandel mit Frauen europaweit zudem jährlich um 50 Prozent. Durch den EU- und Schengenbeitritt soll der Menschenhandel in Polen Schätzungen zufolge deutlich zugenommen haben. Menschenhandel, der zumeist die Zwangsprostitution betrifft, ist seit September dieses Jahres in Polen ein Strafdelikt. Ein Schritt, den Joanna Garnier, Vorstandsmitglied der polnischen "La Strada", begrüßt. Die Organisation hilft jährlich etwa 200 bis 300 Frauen, die sich dort melden.
Viele schämen sich, Hilfe anzunehmen
Im Unterschied zur Kirche wird dort nicht pauschal von der Prostitution abgeraten, sondern beim Ausstieg aus Zwangsverhältnissen in diesem Gewerbe geholfen. Durch Gelder des Innenministeriums kann ein "Beratungs- und Interventionszentrum" sowie eine Schutzunterkunft finanziert werden. Dabei meldeten sich immer mehr Frauen aus dem östlichen Europa mit Hilfegesuchen bei La Strada, deren Schicksale in der polnischen Öffentlichkeit noch keine große Beachtung finden. "Zunehmend ist man in Polen bewusster geworden, was mögliche Gefahren bei Arbeitsangeboten aus dem Ausland angeht", sagt Garnier. Doch die "größte Sünde der Polinnen" sei, dass sich die jungen Frauen immer noch zu wenig informierten. Meist seien sie zu blauäugig oder schämten sich, die Hilfsangebote anzunehmen.