Sein erster Weg führt Russlands Premier nicht ins Kanzleramt. Das Gespräch mit Angela Merkel steht erst ganz am Ende des Berlin-Besuches am Freitagabend auf dem Programm. Wladimir Putin trifft nach seiner Ankunft am Donnerstag zunächst einmal den Altkanzler, den SPD-Politiker Gerhard Schröder, seinen Freund.
Das Blatt "B.Z." berichtet von einem Drei-Gänge-Menü mit Austern und Rotwein in einem Nobellokal. Schon als Schröder noch Kanzler und Putin Präsident war, galt das Verhältnis der beiden Staatenlenker als Männerbund. Heute ist Schröder Aufsichtsratschef des Konsortiums zum Bau der Ostsee-Gaspipeline, wo der russische Gaskonzernriese Gazprom Hauptgesellschafter ist. Putin ist Ministerpräsident mit Ambitionen auf sein altes Amt, das jetzt Dmitri Medwedew bekleidet. Zu dem hat Merkel allem Anschein nach einen kürzeren Draht. Bei ihrem Treffen im Juli in Russland sprachen beide von Freundschaft und Partnerschaft.
Merkel bremst den Putinschen Eifer
Auf Putins via "Süddeutscher Zeitung" verbreiteten Vorschlag einer Freihandelszone Russlands mit der Europäischen Union von Lissabon bis Wladiwostok reagiert die Kanzlerin zurückhaltend. Zunächst tadelt sie Moskau wegen seiner Zollunion mit Weißrussland und Kasachstan. Etwas verbindlicher gibt sie sich dann nach dem Treffen mit Putin im Kanzleramt und spricht von einer "Zukunftsvision". Sie bremst aber dessen Eifer weiter: Es gebe Dinge, die man noch überwinden müsse.
Genauso dämpft sie Erwartungen an schnelle Visumerleichterungen mit Russland und zeigt sich skeptisch zur Äußerung von Deutsche-Bank- Chef Josef Ackermann, Russland sollte langfristig in die Euro-Zone eingebunden werden.
Putin ärgert das alles sichtlich. Die von ihm vorgeschlagene Freihandelszone sei ein "sehr kompliziertes" Vorhaben, sagt er so, als hätte Merkel das Thema nicht verstanden. Es bedürfe einer sehr sorgfältigen Aufarbeitung. Je früher man damit beginne, desto schneller die Verwirklichung. Davor hatte er bei einer Diskussion mit Führungskräften wie Ackermann im Luxushotel Adlon zu Merkels Reaktion auf seinen Vorschlag spitz bemerkt: "Es bedeutet, dass Frau Merkel meinen Artikel gelesen hat. Das ist ja an sich schon gut."
Kernpunkte sind Wirtschaft und Energie
Vermutlich hatte Putin auf mehr Begeisterung gehofft, nachdem die vor einer Woche in Lissabon beschlossene Annäherung Russlands an die Nato als historisch gefeiert worden war. Die Schwierigkeiten mit einer Freihandelszone sehe er genauso wie Merkel, sagt Putin - nur umgekehrt: "Unsere Investoren bekommen viel mehr Probleme als Ihre Investoren in Russland." Russischen Investoren werde die Tür einfach verschlossen in der Europäischen Union.
Die Bundesregierung ist aber skeptisch, ob die Zeit für einen gemeinsamen Wirtschaftsraum schon reif ist. Fragen der Menschenrechte oder der deutschen Abhängigkeit von Öl- und Gaslieferungen aus Russland sind nicht geklärt. Am schärfsten formuliert es der deutsche Russlandkoordinator Andreas Schockenhoff (CDU): "Freihandel würde Rechtssicherheit, Investitionssicherheit, ein gemeinsames Wertefundament voraussetzen. Diese Kriterien sind noch nicht erfüllt", sagt er der "Stuttgarter Zeitung":
Putin macht sich über die Energiedebatte lustig. Die aufgeregten Diskussionen über die Gasversorgung aus Russland oder die Laufzeiten vom Atomkraftwerken sind dem Ministerpräsidenten fremd. "Wollen Sie mit Holz heizen?", fragt er provozierend. Um seinen Gastgebern dann die Abhängigkeit Deutschlands von russischer Energielieferung unter die Nase zu halten: "Das Holz muss man dann aber auch wieder aus Sibirien holen, weil Sie nicht genug Holz haben."
Komplimente für Josef Ackermann
Aber Putin kann auch Komplimente machen. Josef Ackermann kommt an diesem Tag in den eher ungewöhnlichen Genuss. Der Deutsche-Bank-Chef habe genau richtig gehandelt, als er zu Hochzeiten der Finanzkrise staatliche Hilfe für seine Bank schroff ablehnte. "Das ist ein richtiger Fachmann", würdigt Russlands Premier den Spitzenbanker. Und er zeigt sich offen für Ackermanns Vorstellung von Russlands Anbindung an den Euro-Raum - wieder ein Bund gegen Merkel. Sie revanchiert sich subtil, indem sie in der Visumfrage erst einmal auf Absprachen mit Medwedew verweist.
Auf eine Frage bei der Podiumsdiskussion reagiert Putin ausweichend - auf die, ob er bei der Präsidentenwahl 2012 antreten werde, um das jetzige Staatsoberhaupt Medwedew wieder abzulösen. Dafür gebe es eine Standardantwort, sagt Putin: "Wir werden eine abgestimmte Entscheidung treffen im Interesse unseres Landes." So ist es nicht ausgeschlossen, dass Merkel Putin in seinem alten Amt wiedertrifft. Der sagte zum Abschluss der Pressekonferenz im Kanzleramt süffisant: "Sie haben gesehen: Wir haben uns umarmt - und geküsst."