Die Merkel-CDU: Gespalten und doch vereint

Die Merkel-CDU: Gespalten und doch vereint
Bundeskanzlerin Angela Merkel geht gestärkt aus dem Karlsruher CDU-Treffen hervor. Doch das konservative Profil der Volkspartei wurde dort trotz aller Beschwörungen nicht geschärft. Das könnte im Superwahljahr 2011 zum Problem für die CDU-Chefin werden.
16.11.2010
Von Kristina Dunz und Marc-Oliver von Riegen

Es war die berühmte Sternstunde in der Politik. Stundenlang rangen Befürworter und Gegner einer höchst sensiblen, lebensentscheidenden Thematik darum, die andere Seite zu überzeugen. Ernsthaft, respektvoll, ohne Polemik und mit viel Gefühl. Am Ende setzten sich beim CDU-Bundesparteitag am Dienstag die Gegner von Gentests an Embryonen durch - mit einer Mehrheit von nur 17 Stimmen.

Bei allem Bemühen der klar wiedergewählten Parteichefin Angela Merkel - sie steht für das Verbot der Präimplantationsdiagnostik (PID): bei diesem Parteitag wurde das konservative Profil mehr beschworen als geschärft. Erst am Montagabend verabschiedete sich die CDU von der Wehrpflicht - auch eines ihrer Markenzeichen.

Gespalten zeigten sich die Delegierten bei ihrem Traditionsthema Lebensschutz. Das Phänomen ist, dass beide Seiten mit dem Votum von 51 Prozent für ein Verbot der PID zufrieden sind. Die Gentestgegner haben damit den entsprechenden Passus im Grundsatzprogramm verteidigt. Die Befürworter der PID in engen Grenzen sehen ihre große Chance nun im Bundestag, wo die Abgeordneten über das Gesetz entscheiden und dabei nur ihrem Gewissen und nicht einem Parteitagsbeschluss folgen müssen. Der Fraktionszwang wurde bereits aufgehoben und eine parteiübergreifende Entscheidung ermöglicht.

PID-Verbot: christlich oder unbarmherzig?

In der Tagungshalle der Karlsruher Messe liefen den Zuhörern mehrfach Schauer über den Rücken. Etwa als die Parlamentarische Staatssekretärin und dreifache Mutter Katherina Reiche sagte, mit einem Verbot der PID würden Frauen gezwungen, vorhersehbare Totgeburten zu erleiden. "Ich weiß nicht, ob das christlich ist - für mich ist es unbarmherzig." Der Wirtschaftsstaatssekretär und frühere Pfarrer Peter Hintze sprach von Dramen, Tränen und Leid, wenn erblich vorbelastete Eltern einen Embryo nicht auf Behinderungen untersuchen lassen dürften - eine Untersuchung, die im Mutterleib erlaubt ist wie die Abtreibung eines Kindes. Für viele ist das Doppelmoral.

Und Unionsfraktionschef Volker Kauder sagte: "Wenn wir nicht wollen, dass am Leben experimentiert wird, dann dürfen wir hier und heute die PID nicht zulassen. Wir machen eine Tür auf und wissen nicht, was nach der Tür kommt." Es erscheint paradox: Die Parteireformerin Merkel besetzt mit dem Nein zu Gentests seit langem wieder stärker ein konservatives Thema. Und ausgerechnet hier kann sie die Reihen nicht schließen. Die Basis erscheint dabei offener als die Chefin für eine liberalere Position.

Auch CSU-Chef Horst Seehofer versucht, mit klassischen Unionspositionen abtrünnige konservative Wähler an die Partei zu binden. Ein Scheitern der Union im Superwahljahr 2011 fiele auch auf ihn zurück, der im gleichen Jahr als Parteichef wiedergewählt werden will. Und Seehofer sucht nach mehrfachen Misshelligkeiten in diesem Jahr - zumindest am Dienstag bei seinem Auftritt vor den CDU-Delegierten - wieder stärker die Nähe zu Merkel.

Der Dank des Herrn Seehofer

Die "liebe Angela" mag sich gewundert haben, wie oft sich der Vorsitzende der kleinen Schwesterpartei bei ihr bedankt - für den Sparkurs, die Sozialpolitik, die Bildungs- und Gesundheitspolitik. Vor allem in der Gesundheitspolitik hatte er oft quergeschossen. Seehofer nennt sich in seiner Rede demonstrativ einen überzeugten Patrioten. Er spricht davon, dass die Union das Erbe von Konrad Adenauer, Helmut Kohl und Franz Josef Strauß bewahrt habe und sagt bewusst: unter Führung von Merkel.

Merkel münzte das knappe Votum gegen Gentests als Erfolg der ganzen CDU um. In ihrem Schlusswort umarmte sie quasi alle in der Partei: "Ich möchte mich bei allen, die daran teilgenommen haben, ganz herzlich bedanken. Das war so, wie wir uns auch verstehen."

dpa