Reformator auf Reisen: Was Luther erlebte

Reformator auf Reisen: Was Luther erlebte
Martin Luther begann seine Kirchenkarriere als Mönch und reiste in dieser Funktion wiederholt nach Italien. Rom, den Sitz des Papstes, sah er als "Rattennest und Schutthalde".
29.10.2010
Von Nastasja Becker

Es ist 500 Jahre her, dass der 27-jährige Bruder Martinus mit einem älteren Augustiner seines Bettelordens nach Rom entsandt wurde. Es war die einzige Reise, die den Reformator Martin Luther (1483-1546) ins Ausland führte. Besonders begeistert war er davon nicht: Die Ewige Stadt bezeichnete er als eine "Schutthalde". Seine Reisebeobachtungen aber prägten das Denken des Reformators

"Ohne die Reisen, ohne die persönliche Begegnung mit der römischen Kurie mit Machtmissbrauch und Oberflächlichkeit wäre die Geschichte der Reformation anders verlaufen", ist sich Karen Michels sicher. Die Kunsthistorikerin hat ein Buch veröffentlicht, das sich Luther und seinen Reisen widmet - nicht nur der nach Rom im November 1510 ("Martin Luther - Die Lektionen der Straße").

Bereits im Jahr 1505 war dem Studenten Martin Luther auf der Rückreise von seinen Eltern in seinen Studienort Erfurt ein Erlebnis widerfahren, das sein Leben grundlegend verändern sollte: "Hilf du, heilige Anna, ich will ein Mönch werden!" rief er seiner eigenen Überlieferung nach die Mutter Marias an, als auf freiem Feld unmittelbar neben ihm ein Blitz einschlug. Kurz danach trat Luther in das Kloster der Augustiner-Eremiten ein.

Keine gesellige Wandertour

Der Rom-Marsch im Jahr 1510 war ebenfalls keine gesellige Wandertour. Der Ordensregel entsprechend mussten die Mönche schweigend laufen. "Man hatte die Augen niederzuschlagen und hintereinanderzugehen", schreibt Michels. Den Weg nach Rom fanden die beiden Mönche durch eine "Romwegkarte", die der Nürnberger Drucker Erhard Etzlaub zum Heiligen Jahr 1500 herausgegeben hatte. Übernachtung und Verpflegung erhielten die Augustiner in Klöstern.

Jahre später nannte Luther Rom ein "Rattennest" und einen "Leichnam, bestehend aus den Resten früherer Prachtbauten". "Mit seiner Beschreibung wollte er sich abgrenzen und zeigen, wie verdorben Rom und das Papsttum seien", sagt Volker Leppin, Kirchenhistoriker in Tübingen und Luther-Experte.

Luther beobachtete seine Mitmenschen genau: Ihm fiel auf, dass Italiener gut gekleidet und heißblütig seien. Beim Trinken hingegen blieben sie laut Luther maßvoll, wohingegen die Deutschen sich gern betranken und dann "aufführten wie die Tiere". Über die Wirkung der Reisen berichtet Michels: "Er hat seine Beobachtungen ernst genommen und aus ihnen sein Weltbild geformt." Auch dass es wichtig ist, sich dem einfachen Mann verständlich zu machen, habe Luther auf den wochenlangen Wanderungen gelernt.

Rustikaler Prediger und Polterer

Der gehorsame Katholik Luther wurde zum unabhängigen Denker, der Intellektuelle und Theologie-Professor zum eher rustikalen Prediger und Polterer, der Mönch zum Ehemann. "Seine zu Hause gebliebene Frau bat er, Mitbringsel für die Kinder zu besorgen, weil er selbst von unterwegs nichts mitbringen konnte", sagt Leppin über den späteren, reisenden Familienvater Luther.

"Auf seinen Reisen war Luther kein Tourist", urteilt Autorin Karen Michels. Die häufigen Ortswechsel gehörten zu den Pflichten des Reformators. Von Erfurt aus beaufsichtigte er als Distriktsvikar elf Konvente, darunter Dresden, Gotha, Coburg, Magdeburg. Als Professor pendelte er zwischen Wittenberg und Erfurt. Offizielle Vorladungen führten ihn nach Worms und Augsburg. Zum Augsburger Reichstag ging er bis Coburg.

Auch im Dienst der neuen Kirche und seiner Landesherren reiste er viel in die Umgebung: "Zu Fuß, zu Pferd, in öffentlichen Landkutschen, in den großen Wagen der Klöster oder selten in den komfortableren, gepolsterten Karossen des kurfürstlichen Hofes", beschreibt Michels. Bedeutend während seiner Reisen war vor allem auch seine Ausstrahlung auf andere, sagt Lutherexperte Leppin: "Wenn Luther tatsächlich vor Ort war, hatte er eine enorme Wirkung."

Er fand das Reisen furchtbar

Zum Schluss aber, beschreibt Michels, "fand Luther das Reisen furchtbar". Der Geächtete konnte sich zwar nur noch im Hoheitsgebiet des sächsischen Kurfürsten sicher bewegen, aber dort musste er hektisch von Ort zu Ort eilen. "Phasenweise war Luther durch ständiges Hin und Her abgearbeitet und wurde das Gefühl der Krankheit nicht mehr los", fügt Luther-Biograf Leppin hinzu.

Kurz vor seinem Tod war der gesundheitlich angeschlagene Luther noch einmal nach Eisleben gefahren, um einen Erbstreit der Grafen von Mansfeld zu schlichten. Dort starb er am 18. Februar 1546. In einem letzten Gang wurde Luthers Körper nach Wittenberg überführt. In der Schlosskirche, an die er 1517 der Überlieferung nach seine 95 Thesen angeschlagen hatte, fand er endgültige Ruhe.

epd

Karen Michels, "Martin Luther - Die Lektionen der Straße", Hamburg 2010, 96 Seiten, 19,90 Euro.