Afghanistan wird immer gefährlicher für Helfer

Afghanistan wird immer gefährlicher für Helfer
Ungeachtet massiver Kritik des Westens hält der afghanische Präsident Hamid Karsai an seinen Plänen zur Auflösung privater Sicherheitsfirmen fest. Das geplante Verbot bedroht laufende Hilfsprojekte.
25.10.2010
Von Agnes Tandler

Die Arbeit der Unternehmen führe im Sicherheitsbereich zu Parallelstrukturen und zu Instabilität in Afghanistan, sagte Karsai am Sonntag. Daher werde die Regierung die im August auf dem Weg gebrachte Verfügung umsetzen, nach der bis zum Jahresende alle in Afghanistan tätigen privaten Sicherheitsfirmen ihre Arbeit einstellen müssen.

Der Verfügung Karsais zufolge sollen Mitarbeiter der Firmen, die qualifiziert sind, in die Polizei aufgenommen werden. Ausländischen Botschaften, Hilfswerken und anderen internationalen Organisationen wird jedoch gestattet, auf ihrem Gelände eigene Sicherheitsleute einzusetzen. Außerhalb der Grundstücke soll nach Ablauf der Frist das afghanische Innenministerium für die Sicherheit zuständig sein.

Gewalt ist "enorm eskaliert"

Linda Norgrove war in einem kleinen unauffälligen Toyoto Corolla in Ost-Afghanistan unterwegs. Zu ihrem Schutz trug die britische Hilfsarbeiterin eine Burka, den traditionellen Ganzkörperschleier, um nicht als Ausländerin erkannt zu werden. Doch auf der bergigen und kurvenreichen Straße zwischen Asabad und Jalalabad stoppten am Morgen des 26. Septembers bewaffnete Männer ihren Wagen und entführten die junge Frau, die seit mehreren Jahren in Afghanistan arbeitete. Zwei Wochen später kam Linda Norgrove bei einer gescheiterten Befreiungsaktion ums Leben. Es ist nur eine der vielen tragischen Geschichten über das Schicksal der Helfer in diesem Jahr in Afghanistan.

Die Sicherheit ihrer Mitarbeiter bereitet den Hilfsorganisationen inzwischen immer mehr Kopfschmerzen. Erst am Samstag hatten aufständische Taliban-Kämpfer ein hoch gesichertes Gebäude der Vereinten Nationen im afghanischen Herat gestürmt. Die Gewalt sei "enorm eskaliert", sagt Nic Lee, der Chef von "Afghan NGO Safety Office" (ANSO), einer Organisation, die sich um die Sicherheit der Hilfswerke kümmert. Die Zahl der Angriffe der Aufständischen gegen afghanische Sicherheitskräfte, die internationale Schutztruppe und Zivilisten sei von 523 im Februar auf 1.483 im September gestiegen, schrieb die ANSO in ihrem letzten Bericht.

Karsai: "Sicherheitsfirmen destabilisieren das Land"

Es gebe ein klares Muster in der Entwicklung. In den vergangenen fünf Jahren hätten die Attentate Jahr für Jahr um 45 bis 55 Prozent zugenommen. Viele Hilfsorganisationen haben bereits die Bewegungsfreiheit ihrer Angestellten stark beschnitten. Doch nun droht ihnen eine neue Schwierigkeit: Die afghanische Regierung will allen privaten Sicherheitsfirmen die Arbeitslizenz zum Ende des Jahres entziehen.

Etliche von ihnen schützen auch Hilfsprojekte und internationale Organisationen. Sie sind beim Bau von Schulen und Straßen ebenso dabei, wie beim Bewachen von Hilfskonvois und Helfern, die im Land reisen. Afghanistans Präsident Hamid Karsai und andere Mitglieder seiner Regierung haben die privaten Sicherheitsunternehmen immer wieder kritisiert. Die Firmen destabilisierten das Land und sie seien zudem für zahlreiche gewaltsame Übergriffe und Missbrauch verantwortlich, erklären sie.

Um die 40.000 Privatsöldner sollen in Afghanistan arbeiten. Die Branche hat keinen guten Ruf: Anfang des Jahres wurden in Kabul zwei Mitarbeiter des US-Unternehmens Xe, früher Blackwater genannt, des Mordes angeklagt, nachdem sie außer Dienst und offenbar angetrunken ein Auto mit afghanischen Zivilisten beschossen und dabei zwei Männer getötet hatten.

Bedenken gegen afghanischen Sicherheitskräfte

Das Verbot der privaten Sicherheitsfirmen in Afghanistan richtet sich vor allem gegen die ausländischen Unternehmen, die im Land operieren. Karsai und seine Regierung wünschen, dass deren Arbeit statt dessen von afghanischen Sicherheitskräften übernommen wird. Doch dagegen gibt es zahlreiche Bedenken. Viele halten die afghanische Armee und Polizei für zu unerfahren, andere befürchten auch, dass afghanisches Personal Kidnappern und Attentätern Tipps geben könnte.

Zudem müssen Organisationen, die in Afghanistan operieren, versichert sein, doch die Versicherungen trauen den lokalen Sicherheitsleuten nicht und wollen lieber professionelle, ausländische Unternehmen für den Schutz von Mitarbeitern und Projekten verantwortlich sehen. Offiziell soll kein von Amerika finanziertes Hilfsprojekt wegen der anstehenden Sicherheitskrise bislang eingestellt worden sein. Allerdings, so erklärte die Sprecherin der US-Botschaft Caitlin Hayden, "machen unsere Partner Pläne für den Fall, dass sie nicht mehr weiter arbeiten können".

Die US-Hilfsorganisation "Development Alternatives International" (DAI), die in Afghanistan Projekte für den amerikanischen Entwicklungsdienst USAID ausrichtet, erklärte der Zeitung "Wall Street Journal", sie plane ihre Projekte zur Stärkung der Lokalregierungen vorzeitig zum Ende des Jahres zu beenden. Das Groß-Projekt in 20 der 34 afghanischen Provinzen beschäftigt 800 lokale Mitarbeiter. Auch die britische Hilfsarbeiterin Linda Norgrove arbeitete für die Organisation.

dpa/epd