Schon 140 Cholera-Tote - Haiti droht eine neue Tragödie

Schon 140 Cholera-Tote - Haiti droht eine neue Tragödie
Im Januar zerstörte ein Erdbeben weite Teile Haitis, nun droht dem Land eine neue Katastrophe: Mehr als 1500 Menschen sind wohl an Cholera erkrankt, rund 140 bereits gestorben. Helfer fürchten eine rasante Ausbreitung.

Die haitianische Regierung hat am Freitag den Ausbruch der Cholera im Land bestätigt. Damit droht Haiti neun Monate nach dem verheerenden Erdbeben eine neue Katastrophe. Etwa 140 Menschen sollen in dem ärmsten Land Amerikas bereits an der Durchfallerkrankung gestorben sein, nachdem sie dreckiges Wasser getrunken haben. Rund 1500 Menschen im Gebiet Artibonite nördlich der Hauptstadt Port-au-Prince seien erkrankt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurde eingeschaltet.

In Port-au-Prince begannen am Freitagmorgen hektische Beratungen bei den internationalen Hilfsorganisationen, die seit dem Erdbeben im Land sind. "In gerade mal 48 Stunden haben wir bereits 138 bestätigte Tote", sagte Imogen Wall, eine UN-Sprecherin. "Es ist eine beunruhigende Situation." Die Cholera sei sehr gefährlich und für Haiti eigentlich untypisch. Eine Epidemie habe es in dem Land seit Jahrzehnten nicht gegeben.

"Es wird verheerend"

Betroffen von der gefährlichen Erkrankung sind die Niederungen von Artibonite. Die Behörden vermuten, dass nach den Regenfällen der vergangenen Wochen Latrinen überliefen und das bakterienverseuchte Wasser in den Fluss Artibonite gelangte. In der Hafenstadt Saint-Marc werden den Angaben zufolge Menschen auf Plätzen notdürftig versorgt.

Zunächst drang die Epidemie nicht zu den größten Flüchtlingslagern rund um und in der Hauptstadt vor. Sie gelten als besser versorgt als die verarmten ländlichen Gebiete und verfügen durch die internationale Hilfe über sauberes Trinkwasser. Dennoch warnten Helfer. Estrella Serrano von der Hilfsorganisation World Vision sagte: "Wenn die Krankheitswelle Port-au-Prince erreicht, wo Familien in überfüllten unhygienischen Lagern hausen, dann wird es verheerend."

Bei dem Erdbeben am 12. Januar waren in Port-au-Prince und in der Umgebung über 220 000 Menschen getötet worden. Mehr als eine Million Menschen leben seither auf engstem Raum in Obdachlosenlagern. Sie sind bisher dank massiver internationaler Hilfe und dank einer relativ milden Hurrikan- und Regenzeit von weiteren Katastrophen verschont geblieben.

Hohe Ansteckungsgefahr

Sie lebensgefährliche und ansteckende Durchfallerkrankung Cholera wird durch das Bakterium Vibrio Cholerae übertragen. Schon wenige Stunden nach der Ansteckung können starker Durchfall und Erbrechen auftreten. Der Körper verliert extrem schnell Flüssigkeit und Mineralstoffe, was zu Nierenversagen oder zum Kollaps des Herzkreislaufsystems führen kann.

Nur etwa 15 Prozent der Infizierten zeigen laut "Ärzte ohne Grenzen" Krankheitssymptome. Die anderen sind lediglich Überträger des Bakteriums, das im Darm ein Gift produziert. Die Ansteckungsgefahr unter unhygienischen Bedingungen, wie sie etwa in Flüchtlingsunterkünften oder in den Lagern von Erdbebenopfern herrschen, ist besonders hoch: Der Erreger gelangt mit menschlichen Fäkalien ins Abwasser, verbreitet sich über Flüsse und Bäche, befällt Lebensmittel und Trinkwasser. Cholera trifft vor allem unterernährte und geschwächte Menschen.

Sterberisiko ohne Behandlung: 40 Prozent

Durch die Einnahme von Salzlösungen gegen den Flüssigkeitsverlust ist es möglich, die Krankheit zu heilen. Zusätzlich werden auch Antibiotika eingesetzt. In besonders schweren Fällen mit Erbrechen ist eine intravenöse Infusion erforderlich. Bei ausreichender medizinischer Versorgung stirbt einer von hundert Cholera-Patienten. Ohne Behandlung liegt die Sterberate bei 40 Prozent.

Bei Cholera-Gefahr empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation das strikte Einhalten von Hygieneregeln wie mehrmaliges Händewaschen mit Seife und das Abkochen des Trinkwassers.

Im August 2008 war in Simbabwe eine große Cholera-Epidemie ausgebrochen. Innerhalb eines Jahres erkrankten knapp 100.000 Menschen, rund 4.000 starben. Wegen des mangelhaften Gesundheitssystems in Simbabwe wurden viele Kranke nicht medizinisch versorgt.

dpa/epd