Alt und Jung drängte sich um den wohl bekanntesten Botschafter, den Israel in Deutschland je hatte und der in seiner Heimat gleichzeitig als der am häufigsten gerügter Diplomat gilt. Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatte Primor-Bücher auf den Knien liegen, parat, um sie signieren zu lassen. Und der Nachkomme einer im Holocaust ermordeten Familie kam bei der von Jörgen Klußmann geleiteten Tagung „Die Stunde der Wahrheit“ sofort zum Wesentlichen. Er forderte Druck der internationalen Gemeinschaft auf den Friedensprozess im Nahen Osten ein.
Ohne Unterstützung von außen werde sich im israelisch-palästinensischen Konflikt auf Dauer nichts bewegen, so Primor. „Dabei ist der Frieden noch nie so möglich gewesen wie heute.“ Die Mehrheit der Araber und Palästinenser habe eingesehen, dass sie mit dem Staat Israel verhandeln müsse. Und die Mehrheit in Israel akzeptiere, dass sie nicht über eine andere Nation herrschen dürfe. „Wir sind reif für realistische Lösungen. Wir sind reif für den Frieden.“
Israelis wie Palästinenser verfügten aber leider über „schwache Regierungen“. Deshalb müsse die Weltgemeinschaft Verantwortung wahrnehmen. Hauptproblem ist Avi Primor zufolge die Grenzfrage. „Israel muss das Westjordanland verlassen, und es muss in kleinen Teilen einen Länderaustausch geben.“ Dann erledige sich das Siedlerproblem von alleine.
Sicherheit erzwingen
Jerusalem solle, der Demografie entsprechend, gerecht aufgeteilt werden. „Aber ohne Mauern“. Dafür müsse die internationale Gemeinschaft den Israelis wie den Palästinensern Sicherheit garantieren. Mit Einverständnis beider Seiten solle eine „robuste kleine militärische Gruppe“ geschickt werden, die nicht nur beobachten, sondern Sicherheit erzwingen dürfe, schlug Primor vor. „Und keine Sorge: Das Westjordanland ist nicht Afghanistan, sondern so winzig wie zwei Mal das Saarland.“
Im Gegensatz zum Realpolitiker Primor packte der palästinensische Christ Geries S. Khoury das Problem eher von der Glaubensseite her an. Grundsätzlich sei für ihn nicht nur die vertragliche Lösung, sondern besonders das Vertrauen zwischen den Völkern, sagte der Direktor des im interreligiösen Dialog engagierten Jerusalemer Al-Liqa-Centers. Vertrauen könne jedoch nur mit Friedenserziehung von Kindesbeinen an aufgebaut werden.
Dauerhaft Ja zum Frieden sagen
„Unsere Kinder müssen lernen, dass die anderen nicht automatisch Terroristen sind.“ Nur so könnten Israelis und Palästinenser auf Dauer Ja zum Frieden sagen. Internationale Truppen könnten das nicht alleine garantieren. Palästinensischer Nationalismus sei dabei durchaus die legitime Suche nach der eigenen Identität. „Wir Palästinenser leben in der Diaspora, haben keinen Staat, sind aber gefestigt durch unseren Schmerz“, betonte Khoury.
Das Fehlen von Frieden sei immer weiter Nahrung für die Extremisten, die nie auf das Wort Gottes, sondern nur auf ihre eigene Stimme hörten, betonte der Mitverfasser des Friedensaufrufs palästinensischer Christen „Kairos Palästina – Die Stunde der Wahrheit“. Wer dem Extremismus auf beiden Seiten folge, bediene nur Hass und Blutvergießen.
Brücken statt Mauern
Khoury: „Eine Mauer kann keinen Frieden garantieren. Wir brauchen Brücken, nicht Mauern.“ Wer in der Vergangenheit gefangen bleibe, schaffe es nicht, in die Zukunft zu schauen. Im Friedensaufruf „Kairos Palästina“ hatte Khoury im Dezember 2009 mit anderen palästinensischen Christen mehrerer Kirchen einen leidenschaftlichen Appell zur Beendigung der Besetzung Palästinas durch Israel veröffentlicht.
Das Dokument fordert als „ein Wort des Glaubens“ von der internationalen Völkergemeinschaft, die legitimen Freiheitsbestrebungen des palästinensischen Volkes nicht mit bloßem Krisenmanagement, sondern mit langfristigen Lösungen zu unterstützen. Es plädiert gleichzeitig für einen unbedingten Verzicht auf Gewalt von beiden Seiten.
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