Die Erhöhung der Regelsätze um nur fünf Euro lässt große Zweifel an der Berechnungsgrundlage und am Verfahren aufkommen. Sie wird der Lebensrealität der Betroffenen nicht gerecht. Nach den Erfahrungen, die seit der Einführung des Arbeitslosengeldes II gemacht wurden ist augenfällig, dass eine Erhöhung des Regelsatzes auf, wie von den Wohlfahrtsverbänden vorgeschlagen, 420 Euro für die BezieherInnen ein großer Schritt hin zu mehr Teilhabe wäre.
Das Pochen auf die Einhaltung des Lohnabstandsgebotes ist in der aktuellen Situation irreführend. Nicht die Höhe des Hartz IV-Satzes ist das Problem, sondern der ausufernde Niedriglohnsektor, den sich die Wirtschaft mittels der so genannten "Aufstocker" subventionieren lässt. Das ist überhaupt nicht einzusehen. "Wer arbeitet soll mehr verdienen als der, der nicht arbeitet." Unabhängig davon ob derjenige, der nicht arbeitet, denn arbeiten könnte oder arbeiten will: Die Konsequenz dessen darf nicht sein, den Regelsatz zu drücken sondern endlich einen Mindestlohn einzuführen. Der würde dafür sorgen, dass, wer arbeitet, auch davon leben kann und nicht auf staatliche Unterstützung angewiesen ist.
Wer hier spart, fördert den Ausschluss
Dass der Regelsatz für Kinder und Jugendliche nach der Neuberechnung sogar gesunken wäre und nur durch einen seitens der Regierung großzügig gewährten "Bestandschutz" so bleibt, wie er ist, leuchtet nicht ein. Kinder haben zwar andere, aber mindestens genauso viele Bedürfnisse wie Erwachsene: Schulsachen, Kleidung, Zoobesuch und Klassenfahrt - wer hier spart, der fördert Exklusion, bevor das Kind überhaupt eine Chance hatte.
Nicht einleuchtend ist die Nichterhöhung der Kinderregelsätze auch deshalb, weil es so einfach sein könnte: Wenn man Kindergeld und den hoch bürokratisch zu beantragenden Kinderzuschlag zusammenlegen und den höheren Steuerfreibetrag für Besserverdienende kürzen würde wäre eine Kindergrundsicherung für jedes Kind möglich. Für mehr Teilhabe und mehr Chancengerechtigkeit für die Schwächsten in unserer Gesellschaft.
Katrin Göring-Eckardt (44) ist Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages sowie als Synodenpräses Chefin des Kirchenparlaments der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Die in Thüringen beheimatete Theologin war Gründungsmitglied der Partei "Demokratie Jetzt" in der DDR und zählt heute zu den bekanntesten Politikern von Bündnis 90/Die Grünen im Osten Deutschlands.