Angesichts heftiger Kritik an Pädophilie-Skandalen und umstrittenen Äußerungen seines ehemaligen Ökumene-Ministers Walter Kasper äußerte das Kirchenoberhaupt Respekt vor seinen Gastgebern. Prinzgemahl Philip begrüßte ihn bei stürmischem Wind am Flughafen der schottischen Hauptstadt Edinburgh, was als Geste besonderer persönlicher Wertschätzung gilt. Anders als sein Vorgänger Johannes Paul II., der 1982 im Vereinigten Königreich herzlich aufgenommen wurde, wirkte Benedikt bei der Zeremonie angespannt und auf Distanz bedacht.
Die britische Königin Elizabeth II. bereitete ihrem Staatsgast auf ihrem schottischen Amtssitz Holyroodhouse in Edinburgh einen förmlichen Empfang. Benedikt lauschte ihr mit lächelnder Zurückhaltung, sie blickte derweil in taubengrauem Mantel und Hut mit passender Feder starr in die Menge der 400 anwesenden Gäste. Während die Queen an die Religionsfreiheit als Grundlage der britischen Gesellschaft erinnerte, würdigte Benedikt den britischen Widerstand gegen die Nationalsozialisten.
Als Gastgeschenk überreichte Benedikt XVI. der Königin eine Kopie des "Lorscher Evangeliars", einer bedeutenden karolingischen Evangelien-Handschrift. Die um 810 nach Christus in der Schreibwerkstatt von Karl dem Großen in Aachen entstandene Handschrift gilt als Meisterwerk der frühmittelalterlichen Buchkunst. Teile des Originals werden im Vatikan und in London aufbewahrt.
Der ehemalige nordirische Ministerpräsident und protestantische Geistliche Ian Paisley hielt derweil in Edinburgh gemeinsam mit 60 weiteren Angehörigen der von ihm gegründeten Kirche einen Gottesdienst gegen den Papstbesuch. Benedikt stehe gegen alles, wofür die britische Königin stehe. Ihre Begegnung mit dem Kirchenoberhaupt bezeichnete der ehemalige EU-Abgeordnete, der wegen Protests bei einem Auftritt von Johannes Paul II. im Europäischen Parlament des Saals verwiesen worden war, als "Unsinn".
Versöhnliche Worte
Wie bei seiner Türkeireise nach der sogenannten Regensburger Rede mit umstrittenen Zitaten über den Islam bemühte der Papst sich in Edinburgh um versöhnliche Worte. So betonte er den Beitrag Großbritanniens zur Gründung der Vereinten Nationen nach dem Zweiten Weltkrieg und die Bemühungen des Königreichs zur Überwindung des Nordirland-Konflikts.
Angesichts der Proteste gegen seinen Besuch setzte Benedikt schon auf dem Weg nach Edinburgh einen neuen Akzent. Kirchliche Behörden hätten auf das Phänomen des Missbrauchs von Kindern "nicht wachsam genug, noch schnell und entschieden genug" reagiert, räumte er auf Fragen von Journalisten im Flugzeug ein.
Überschattet wurde die Ankunft von Berichten britischer Medien mit Kritik an seinem ehemaligen Ökumene-Minister Walter Kasper. Der bisherige Präsident des Päpstlichen Einheitsrats wird darin als enger Papstvertrauter dargestellt. Wegen eines Vergleichs zwischen dem Londoner Flughafen Heathrow und der Dritten Welt sei der emeritierte deutsche Kardinal von der Papst-Entourage ausgeschlossen worden. Vatikanangaben über den angeschlagenen Gesundheitszustand des 77-Jährigen schenken britische Medien keinen Glauben.
Papst will Ressentiments überwinden
Die linksliberale Tageszeitung "The Guardian" urteilte gar, der Ökumene-Experte habe "die wahre Agenda des Vatikans" in Sachen Ökumene deutlich gemacht. Kardinal Kasper hatte nicht verhindern können, dass die Papstreise nach England und Schottland davon überschattet wird, dass Benedikt 2009 konservativen Anglikanern den Übertritt in die katholische Kirche durch die Gründung anglikanischer "Bistümer" schmackhaft zu machen suchte. Im Vatikan liegen offiziell angeblich noch keine Zahlen darüber vor, wie viele Anglikaner, die Frauenpriestertum und die Bischofsweihe bekennend Homosexueller ablehnen, das Angebot nutzen.
Bei drei Messen, Begegnungen mit Politikern und dem anglikanischen Primas Rowan Williams sowie einer ökumenischen Feier wird Benedikt sich bis Sonntag bemühen, neue und alte britische Ressentiments gegen Rom zu überwinden. Die für Sonntag geplante Seligsprechung des zum Katholizismus konvertierten Anglikaners John Henry Newman (1801-90) will er dabei als Geste der Versöhnung verstanden wissen. Kritische Beobachter sehen sie als Vereinnahmung des auch von Anglikanern verehrten Theologen und Schriftstellers.