Stundenlang anstehen wegen eines Cupcakes? "Es ist einfach verrückt", sagt Olivia, die seit 20 Minuten mit ihrem Enkel vor der Tür steht. Kleine Minikuchen versüßen den Menschen im Washingtoner Stadtteil Georgetown den Tag. Die beiden Inhaberinnen von "Georgetown Cupcake" sind mittlerweile berühmt. Einen bitteren Beigeschmack gibt es nur für die Anwohner: Sie stöhnen über die Massen von Besuchern.
Sophie LaMontagne und Katherine Kallinis, die 2008 "Georgetown Cupcake" eröffneten, kommen zurzeit groß raus. Beide haben erfolgreiche Karrieren an den Nagel gehängt und angefangen, Cupcakes herzustellen. "Als Kinder haben wir mit unserer Großmutter immer gebacken. Und es war unser Traum, eine eigene Bäckerei zu haben und ihre Rezepte zu nutzen", erzählte Katherine in der CNN-Talkshow "Larry King Live".
Mit "product placement" zum Erfolg
Sie machten den Traum wahr. Als ein TV-Sender rund um den quirligen Laden auch noch eine "Soap" produzierte, kannte die Schwestern über Nacht fast jeder. Amerikaner lieben solche modernen Märchen und bescheren der Bäckerei nun auch Traum-Umsätze. "Wir dachten, wir verkaufen ein paar Cupcakes, um die Miete zu bezahlen", sagt Sophie. Mittlerweile sind es rund 5.000 Stück pro Tag - bei umgerechnet rund 2,10 Euro pro Cupcake. Am Valentinstag waren es mehr 10.000 Küchlein.
Doch der Siegeszug der Minikuchen in Amerika, die es inzwischen auch an vielen Stellen in Deutschland gibt, begann mit dem "product placement", also versteckter Werbung für Produkte in Fernseh-Sendungen. In der berühmten US-Serie "Sex and the City" biss die Hauptdarstellerin Sarah Jessica Parker einmal genüsslich in einen pinkfarbenen Cupcake. Der Laden war eindeutig identifizierbar: die "Magnolia"-Bäckerei in New York. Seitdem ist das Geschäft ein festes Ziel für Serien-Fans aus aller Welt - und Cupcakes liegen im Trend.
Wie ein Mythos entsteht
In Washington punktet "Georgetown Cupcake" derweil mit Qualität. "Früher war ich jeden Tag hier. Sie schmecken einfach wie selbst gebacken", sagt Olivia. Sie erzählt gerne, und vor dem Laden gibt es ohnehin genug Zeit dazu. An den Wochenenden stehen oft mehrere Hundert Leute in der Schlange vor der Tür, darunter viele Touristen.
Neben Olivia macht gerade die Geschichte einer jungen Frau die Runde. Sie war vor ein paar Wochen in der Hitze kollabiert, wollte aber partout nicht ins Krankenhaus - um ihren Platz in der Reihe nicht zu verlieren. So entsteht ein Mythos. Ebenso mit den Bildern von Stevie Wonder auf der Facebook-Seite der Bäckerei. Der blinde Sänger hat zwei Dutzend der Leckereien gekauft. In Online-Reiseführern wird der Laden schon als Geheimtipp genannt. Und neben dem Mythos wächst auch die Verwunderung bei den Anwohnern in der 33. Straße.
"Wir machen nur eine Sache und diese außerordentlich gut"
"Sie sollten die Straße sperren, einen Festplatz daraus machen und es Cupcake-Straße nennen", amüsiert sich Leo Böckl in der "Washington Post". Er wohnt gegenüber. Auch Studentin Eileen Lohmann kann den Andrang nicht verstehen. "Manchmal kommen wir gar nicht aus der Tür raus. Es stört mich nicht groß, aber ich bin ein bisschen schockiert, dass sich so viele Leute bei Regen oder 35 Grad für Cupcakes anstellen", sagt sie.
Doch ruhig wird es in der Straße so schnell nicht werden. Schuld ist die einfache und doch robuste Unternehmensphilosophie der Schwestern. Es gehe nicht darum, tausend Dinge mittelmäßig zu machen. "Wir machen nur eine Sache und diese außerordentlich gut", sagt Sophie. Einzige Marketing-Idee: Jeden Tag wird auf der Facebook-Seite des Ladens eine neue Geschmacksrichtung genannt. Wer diese im Laden bestellt, bekommt den Cupcake kostenlos. Aber vorher heißt es: Schlange stehen.