Vor allem Malaria und Cholera "schweben als Damoklesschwert über dem Land", teilte das "Bündnis Entwicklung Hilft" am Samstag in Berlin mit. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR geht mittlerweile davon aus, dass der Bedarf an Spenden und Hilfsgütern höher ist als bislang veranschlagt. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon rief unterdessen erneut zu umfassender Hilfe für Pakistan auf. Durch die riesigen Mengen an stehendem Wasser befürchten die Behörden laut "Bündnis Entwicklung Hilft" die massenhafte Vermehrung von Stechmücken, die Malaria übertragen können. Zudem würden immer mehr Fälle von Durchfall, Typhus und Hautkrankheiten registriert. Vereinzelt sei auch schon Hepatitis aufgetreten.
Bei Temperaturen um die 40 Grad Celsius verbreiteten sich die Erreger rasend schnell, hieß es weiter. Hauptursache dieser Krankheiten sei verunreinigtes Trinkwasser. Das "Bündnis Entwicklung Hilft" ist ein Zusammenschluss der fünf deutschen Hilfswerke "Brot für die Welt", medico international, Misereor, terre des hommes und Welthungerhilfe. Die UNHCR-Sprecherin in Pakistan, Billi Bierling, sagte dem Deutschlandradio Kultur, der Bedarf an Hilfsgütern sei viel höher als man vor zwei oder drei Wochen gedacht habe. Die internationale Gemeinschaft werde ihren Spendenappell vermutlich noch einmal revidieren.
Noch immer nicht alle Opfer erreicht
Vor anderthalb Wochen hatten die Vereinten Nationen an die Staaten appelliert, insgesamt 460 Millionen Dollar für Pakistan bereitzustellen. Die Situation in Pakistan sei nach wie vor "ziemlich prekär", sagte Bierling. "Wir sind immer noch in einer Notsituation." Es sei nicht leicht an alle Opfer heranzukommen, berichtete die Sprecherin. Bisher habe die Hilfe etwa 350.000 Menschen erreicht.
UN-Generalsekretär Ban schrieb in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Rundschau" vom Samstag, das Ausmaß der Überschwemmungen sei unfassbar. Rund 15 bis 20 Millionen Menschen seien betroffen - dies seien mehr als beim Tsunami im Indischen Ozean, dem Erdbeben in Kaschmir 2005 und dem Wirbelsturm Nargis 2007 zusammen. Ban beklagte, dass die internationale Gemeinschaft die Dimension der Katastrophe zu langsam und zu spät begriffen habe. Dies stelle "die Welt vor die größte solidarische Herausforderung unserer Zeit". Hilfe sei auch dann noch notwendig, wenn die Wasserpegel sänken. Dann müsse die Infrastruktur wiederaufgebaut werden.
An einem Verteilungspunkt im Ort Bhaid im pakistanischen Teil Kashmirs erhalten Opfer der Flut Hilfe vom Welternährungsprogramm (World Food Program, WFP). Foto: dpa
Am Samstag sind nach Behördenangaben nun auch zahlreiche Dörfer und Städte im Süden des Landes evakuiert worden. Zehntausende Menschen mussten in Sicherheit gebracht werden. Ein Fünftel des Landes steht seit Beginn der Flutkatastrophe Ende Juli bereits unter Wasser. Militär, Polizei und freiwillige Helfer versuchten jetzt, vor allem im südlichen Distrikt Shadadkot die Deiche des mächtigen Indus zu sichern, sagte ein Behördensprecher. Mehr als 90 Prozent der dortigen Bevölkerung habe vor den Fluten gerettet werden müssen. Einige Männer wollten ihren Besitz aber nicht verlassen, sagte Behördensprecher Yasin Shar am Samstag. Die Flutwelle nähere sich nun dem Arabischen Meer.
Eine Million Häuser zerstört
Fast eine Million Häuser sind nach Angaben der Katastrophenschutzbehörde NDMA bereits zerstört worden. Knapp 1.500 Menschen kamen ums Leben, mehr als 2.000 wurden verletzt. Insgesamt sind mehr als 15 Millionen Menschen direkt oder indirekt von der Katastrophe betroffen. Die Weltgemeinschaft hat Pakistan bei einer Geberkonferenz der Vereinten Nationen mehr Hilfe zugesagt. Die UN hatten gefordert, im kommenden Vierteljahr mindestens 460 Millionen Dollar (357 Millionen Euro) für die Versorgung der Flutopfer bereitzustellen. An diesem Sonntag wird vom deutschen Flugplatz Geilenkirchen aus eine Frachtmaschine der Nato Hilfsgüter nach Pakistan bringen. An Bord sind Generatoren, Wasserpumpen und Zelte.
Nach langem Zögern nimmt Pakistan auch die Fluthilfe des verfeindeten Nachbarlandes Indien an. Indien hatte Pakistan in der vergangenen Woche Hilfsgüter im Wert von 5 Millionen Dollar (3,9 Millionen Euro) angeboten. Auch in Indien haben heftige Monsunregen Menschen obdachlos gemacht. Mindestens 50 000 Menschen seien im nordöstlichen Bundesstaat Assam betroffen, berichtete die Nachrichtenagentur IANS.