Gay Games: Sich als "normaler Mensch" zeigen

Gay Games: Sich als "normaler Mensch" zeigen
Bei den achten Gay Games vom 31. Juli bis 7. August in Köln kommen 10.000 homosexuelle und heterosexuelle Sportler aus aller Welt zusammen. Im Interview mit evangelisch.de spricht die Games-Cologne-Geschäftsführerin Annette Wachter über die Finanzierung, die Organisation und darüber, warum es neben den Olympischen Spielen und dem CSD auch noch Gay Games geben muss.
29.07.2010
Die Fragen stellte Maike Freund

evangelisch.de: Die Gay Games sind ein Sport- und Kulturfest, bei der alle mitmachen können. Auf den Seiten der Games Cologne steht ausdrücklich: Schwule, Lesben, Bi- und Transsexuelle. Dürfen auch Heterosexuelle kommen?

Annette Wachter: Es machen immer mehr Heterosexuelle mit und sie sind ausdrücklich erwünscht. Das zeigt sich nicht nur bei den Gay Games, sondern auch in unserem Sportverein Janus e.V., dem größten schwul-lesbische Sportverein in Europa. Hier sind auch viele Heterosexuelle Mitglied, weil sie es toll finden, in dieser Atmosphäre zusammen mit Schwulen und Lesben Sport zu treiben. Auch für die Gay Games gilt: Jeder kann mitmachen, unabhängig von der sexuellen Orientierung, der ethnischen Herkunft und der Religion.

evangelisch.de: Wofür stehen die Gay Games?

Wachter: Das Ziel der Gay Games ist heute noch dasselbe wie zur ersten Veranstaltung 1982 in San Francisco: Mit einer internationalen Sportveranstaltung gegen Diskriminierung von Schwulen und Lesben anzukämpfen und für Toleranz zu werben.

evangelisch.de: Es gibt aber schon die Olympischen Spiele als internationales Sportereignis.

Wachter: Die Olympischen Spiele sind eine Leistungssportveranstaltung und keine Breitensportveranstaltung wie die Gay Games. Bei uns zählt die persönliche Bestleistung und nicht der Weltrekord. Kein nationales olympisches Komitee bestimmt, wer mitmachen darf, sondern jeder kann daran teilnehmen.

evangelisch.de: Warum muss die Veranstaltung explizit Gay Games heißen, wenn die Spiele offen für alle sind?

Wachter: Weil die Diskriminierung von Homosexuellen bis hin zur strafrechtlichen Verfolgung weltweit noch lange nicht abgeschafft ist. In Deutschland sind die Verhältnisse anders als zum Beispiel in Burkina Faso, Südafrika oder in asiatischen Ländern, in denen Diskriminierung von Schwulen und Lesben Alltag ist. Für diese Teilnehmer ist es wichtig, dass es Gay Games gibt, zu denen sie hinfahren, offen mitmachen und gestärkt von diesem Erlebnis nach Hause fahren können.

Alltag und Normalität

evangelisch.de: Die Parade zum Christopher Street Day zielt genau dahin. Warum brauchen wir noch Gay Games?

Wachter: Der CSD ist etwas Ähnliches. Aber die Gay Games sind noch einmal ein Tick mehr. Dabei geht es nicht darum, schrill durch die Gegend zu laufen, sondern sich als "normaler Mensch" zu zeigen, der in jedem Basketballteam mitspielen kann. Viele wollen nur die Alltäglichkeit, die Normalität zeigen und sich im Wettkampf zu messen.

evangelisch.de: Aber beim Sport zählt die Leistung unabhängig von der sexuellen Orientierung.

Wachter: Der Leistungssportler, der sich outet, hat noch immer mit Konsequenzen zu rechnen. Welcher Fußballer in der ersten Bundesliga hat sich denn bis heute geoutet? Keiner. Das hat Gründe. Denn wer sich outet, muss mit Diskriminierung rechnen. Sei es durch die Medien, sei es durch die Sponsoren, die Abstand davon nehmen, solche Sportler zu unterstützen.

evangelisch.de: Sind Sie bei der Planung der Gay Games auf diskriminierende Ablehnung gestoßen?

Wachter: Offen nie, unterschwellig hat man sie schon gespürt. Manche Sponsoren sind zum Beispiel mit fadenscheinigen Gründen wieder abgesprungen.

Die Finanzierung

evangelisch.de: Wie finanzieren sich die Spiele?

Wachter: Die Teilnehmergebühr von 190 Euro, die die Teilnehmer bei der Akkreditierung zahlen müssen, ist einer der größten Posten. Darüber hinaus finanzieren wir uns über einige Sponsoren, Spenden und ein paar öffentliche Mittel.

evangelisch.de: Wie unterstützt Sie das Land?

Wachter: Das Land NRW unterstützt uns nicht. Wir haben für den Bereich Sport beim Land nachgefragt. Die Mittel sind jedoch an den Leistungssport gebunden und sind nicht für den Breitensport verfügbar.

evangelisch.de: Die Stadt Köln hat die Gay Games vor allem im Vorfeld mit Know-how der verschiedenen Ausschüsse unterstützt. 100.000 Euro investierte Köln in renovierungsbedürftige Sportstädten. Von 2007 bis 2009 flossen jährlich 35.000 Euro an die Games Cologne. Auch dieses Jahr bekommen Sie noch einmal 35.000 Euro. Was kann man damit finanzieren?

Wachter: Damit kann man schon ein bisschen was finanzieren, denn es ist eine Vielzahl von kleinen Sachen erforderlich. Mit dem Geld können wir zum Beispiel Sportgeräte kaufen, Zelte für die Teilnehmer aufstellen oder Lautsprecheranlagen für Durchsagen zur Verfügung stellen.

Werbung für Köln

evangelisch.de: Köln ist pleite. Da sind je 35.000 Euro pro Jahr viel Geld. Mittel, die in anderen Bereichen fehent. Haben Sie kein schlechtes Gewissen?

Wachter: Eigentlich nicht. Denn mit dem Geld machen wir auch Köln als Reiseziel bekannt. Man glaubt nicht, wie wenig bekannt Köln zum Beispiel in den USA ist. Auf unseren Promotionreisen durch die USA wurde schon vom ein oder anderen gefragt: Where is Cologne? Diejenigen, die hierher kommen, werden zu Hause über die Ereignisse und die Stadt berichten und so andere dazu anregen, Köln einen Besuch abzustatten.

evangelisch.de: Wie sieht der organisatorische Aufwand aus?

Wachter: Wir arbeiten jetzt rund um die Uhr und machen das zum größten Teil ehrenamtlich. Wir haben 15 Festangestellte und rund 300 Ehrenämtler, die das ganze Ereignis stemmen werden.

evangelisch.de: Wie viele Teilnehmer kommen denn?

Wachter: 9.800 Teilnehmer aus 70 Ländern haben sich angemeldet. Wir hatten allerdings mit 12.000 Teilnehmern geplant. Auch wir haben unter der Finanzkrise zu leiden, ein großer Block an Teilnehmern aus den USA kann sich die Teilnahme nicht leisten.

Sicherheitskonzept

evangelisch.de: Zu den Gay Games werden bis zu eine Millionen Besucher in Köln erwartet. Wie sieht das Sicherheitskonzept aus?

Wachter: Wir besprechen uns ständig mit der Polizei und Sicherheitsexperten und sind sehr gut vorbereitet. Während der Gay Games wird es täglich Besprechungen geben, in denen wir den Vortag Revue passieren lassen und entsprechende Maßnahme ergreifen werden, falls irgendwelche Vorfälle gewesen sein sollten.

evangelisch.de: Welche Rolle spielen HIV und Aids bei den Spielen?

Wachter: Bei der Zielgruppe ist das Thema sehr wichtig. Einmal gedenken wir bei einem International Memorial Run den Menschen, die an Aids gestorben sind. Auch erinnern wir während einer Schweigeminute während der Eröffnungsfeier an die Aids-Toten. Außerdem haben wir Präventionsmaßnahmen organisiert. Konkret: Es werden mit Teams bei den Veranstaltungen vor Ort sein und für safer sex werben. Das gehört bei so einer Veranstaltung einfach dazu. Darüber hinaus haben wir Doping-Regeln, die die Krankheit berücksichtigen. Bei Menschen, die HIV positiv sind, wird die Medikation berücksichtigt, so dass sie nicht zu einem Dopingverstoß führen kann


Mehr Informationen zum Programm der Gay Games gibt es im Internet unter www.games-cologne.de. Es gibt noch Karten für die Eröffnungsfeier in der Lanxess Arena am 31. Juli 2010 unter www.games-cologne.de/de/events/eroeffnungsfeier.

Maike Freund ist freie Journalistin und lebt in Dortmund.