Streit um heiligen Boden: Moschee am "Ground Zero"

Streit um heiligen Boden: Moschee am "Ground Zero"
Am zehnten Jahrestag des Terror-Anschlags von 09/11 sollen die Arbeiten an dem 15-stöckigen muslimischen Gotteshaus beginnen. Rund 100 Millionen Dollar soll es kosten.
16.07.2010
Von Chris Melzer

In New York gibt es hunderte Gotteshäuser. Die meisten tragen ein Kreuz auf dem Dach oder einen Davidstern im Fenster, doch es gibt auf dieser Welt wohl keine Religion, die in der Weltstadt New York nicht irgendwo ihr Haus hat. Eines davon sorgt jetzt für Streit in einer Stadt, die auf Toleranz so viel Wert legt: In Manhattan soll eine neue Moschee entstehen - ganz in der Nähe des "Ground Zero".

Das Areal gilt vielen Amerikanern immer noch als "heiliger Boden". Es waren Islamisten, die am 11. September 2001 zwei mit Passagieren besetzte Flugzeuge in die Doppeltürme des World Trade Center jagten und fast 3.000 Menschen mit in den Tod rissen. "Wir betrachten das als Friedhof und als heiligen Boden und die Toten sollten geachtet werden", sagt die konservative Bloggerin Pamela Geller im CNN-Interview. "Eine 13-stöckige Megamoschee auf einem Friedhof zu bauen, an der Stelle des größten Angriffs in der amerikanischen Geschichte, das ist unglaublich taktlos."

Denkmal für den Terrorismus?

Die Adresse Park Place ist nur gut hundert Meter von der größten Baustelle New Yorks entfernt. Während am Platz des World Trade Center nur langsam der Nachfolgebau aus der Fundamentgrube wächst, will die muslimische Gemeinde Fakten schaffen: Der eineinhalb Jahrhunderte alte Wohnblock am Park Place soll abgerissen und durch ein 100 Millionen Dollar (78 Millionen Euro) teures Zentrum ersetzt werden. Der Bau könne auch Anlaufstelle für Christen und Muslime sein, betonen die Verantwortlichen. Zentrum soll allerdings eine gewaltige Moschee sein.

"Es ist ein furchtbarer Fehler, ein 154 Jahre altes Gebäude abzureißen, um ein Denkmal für den Terrorismus zu bauen", ereiferte sich eine Anwohnerin am Dienstag. Die New Yorker Denkmalschutzbehörde hatte zum Ortstermin geladen und es wurde laut in der ansonsten nüchternen Sitzung. Von einer "Zitadelle des Islamismus" sprachen andere, einen "Schlag ins Gesicht" der Opfer und ihrer Angehörigen sahen gleich mehrere. "Haben wir vergessen, was am 11. September passiert ist", fragte ein Mann.

"Heute schäme ich mich, Amerikaner zu sein"

Die Gegenseite war nicht weniger emotional. Eine Frau, deren Bruder als Feuerwehrmann in einem der zusammenstürzenden Türme starb, wurde ob ihrer Bedenken als Rassistin beschimpft. "Auch meine Familie ist an dem Tag gestorben", schrie eine junge Frau mit Kopftuch. "Ihr könnt ja schreien, aber wenn die Moschee gebaut wird, erfahrt Ihr, wofür der Islam wirklich steht." Rakif Gathwari, New Yorker mit arabischen Wurzeln und muslimischem Glauben, sagte sogar: "Heute schäme ich mich, Amerikaner zu sein" und schwenkte seinen US-Pass über dem Kopf. Schließlich seien in den Trümmern nicht nur Christen und Juden gestorben.

Von den Angehörigen kommen zumeist moderatere Stimmen. "Den Leuten wird immer gleich vorgeworfen, antimuslimisch oder rassistisch zu sein", sagte Sally Regenhard der "New York Times". "Aber das ist einfach eine Frage des Taktgefühls." Ihr Sohn starb als Feuerwehrmann im zusammenstürzenden World Trade Center. "Es ist schon so schwer genug dahinzugehen, zu dieser Grube aus Hölle und Tod."

Bau der Moschee ungewiss

Einen solchen Konflikt sieht die muslimische Gemeinde nicht. "Muslime haben eine berechtigte Rolle zu spielen in der sozialen Struktur dieses Landes", sagt Ibrahim Ramey von der Muslim American Society Freedom Foundation dem Sender CNN. Und Sharif El-Gamal, Planer des Komplexes, bezeichnete das Vorhaben als "Stimme der moderaten Muslime". "Da ist solch eine Ignoranz gegenüber dem Islam!"

Ob die Moschee tatsächlich jemals gebaut wird, ist ungewiss. Die Stadt New Yorks muss zwar irgendwann entscheiden, doch Bürgermeister Michael Bloomberg, dessen Rathaus auch nur ein paar Minuten entfernt ist, hat schon jede Einmischung abgelehnt: "Wir werden nie, nie! Menschen sagen, wie oder wo sie zu beten haben."

dpa