Gläserne Tierschau: Tomograph scannt Elefant und Nacktmull

Gläserne Tierschau: Tomograph scannt Elefant und Nacktmull
Früher musste bei Tieren oft das Skalpell angesetzt werden - jetzt blicken Forscher mit einem neuen Computertomograph hinein. Die Maschine soll auch "Bauchentscheidungen" beim Einschläfern ersetzen.
05.07.2010
Von Susanna-Gilbert-Sättele

Leopard Ninja hat im Berliner Tierpark ein gesegnetes Katzenalter erreicht: 24 Jahre. Dann verschwand er in die ewigen Jagdgründe. Doch Ninja ist nach seinem Tod für die Wissenschaft unsterblich geworden. Seinen Kopf mit den gefährlich spitzen Zähnen hat der erste hochmoderne Computertomograph für wilde Tiere eingescannt. Forscher aus aller Welt können diese Bilder nun studieren. Am Dienstag, 6. Juli 2010, wird das rund eine Millionen Euro teure Gerät am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) erstmals öffentlich gezeigt. Patient ist dann eine quicklebendige Borneo-Schildkröte, die vielleicht einen Angelhaken verschluckt hat.

Schon die Fassade des IZW verrät, dass es dort wild zugeht. Ein gemaltes Zebra grüßt nahe dem Eingang. Hinter einer Zimmertür lebt dann gleich die Wüste. Nacktmulle, rattengroßen Säugetiere ohne Fell, tummeln sich für die Forschung in einem gläsernen Terrarium. Für sie ist der neue Berliner Computertomograph im Zimmer gegenüber eine Art Lebensversicherung geworden. Früher mussten Wissenschaftler manche der putzigen Vierbeiner für Untersuchungen töten. Nun werden viele Tierchen nur noch durchleuchtet. Tierarzt Guido Fritsch schätzt die neue Technik auch deshalb sehr. "Bisher mussten wir ein Tier aufschneiden, um reinzugucken", sagt er. Nun guckt die Maschine.

300-Kilo-Elefanten in Sekunden scannen

Für die Humanmedizin stehen Computertomographen (CT) schon lange in Kliniken. Auch kranke Tiere profitieren bereits von der modernen Röntgentechnik. An der Freien Universität Berlin (FU) sind Tier-CTs von Katzen und Hunden Routine. Auch so manches wilde Tier war schon zu Gast. Doch mit Elefanten, Löwen, Flusspferden oder Bären gibt es eben ein Problem. Sie sind oft zu groß und zu schwer - und die CT-Technik an der FU ist auch nicht mehr die schnellste.

Der neue Tomograph am IZW durchleuchtet bis zu 300 Kilogramm schwere Tiere in Sekundenschnelle. (Bild links: Leopard im Oberflächenscan.) Vor kurzem lag dort der kleine Elefant Jamuna Toni aus dem Münchner Zoo. Das Jungtier musste zum Kummer seiner Pfleger eingeschläfert werden, weil es sich nicht mehr bewegen konnte. Erst im CT bestätigte sich der Verdacht: Jamuna Toni litt an einer bösartigen Knochenkrankheit. Die CT-Analyse soll nun helfen, die genaue Ursache herauszubekommen. Ein genetischer Defekt? Die Zeit drängt, denn das Muttertier in München ist wieder trächtig.

"Eine CT-Auswertung macht uns die Entscheidung leichter, ob wir ein krankes Tier einschläfern", sagt Thomas Hildebrandt, Chef der Tierärzte am IZW. "Es gibt dann objektive Kriterien, die wir bisher nicht hatten. Meist war es eine Bauchentscheidung." Für schwer kranke Wildtiere könne sich dadurch die Leidenszeit verkürzen. Für andere, denen eine Therapie noch hilft, lassen sich durch die Computerbilder leichter Operationsstrategien entwickeln.

Ein Jahr früher als geplant - dank Konjunkturpaket

Auf dem Monitor im IZW eröffnen sich nach dem Scannen wahre Wunderwelten. Leopard Ninjas Schädelknochen erscheinen dreidimensional, zum Drehen. Zunge, Kehlkopf und Luftröhre lassen sich farbig darstellen, das Gehirn in hauchdünnen Querschnitten. Gunther von Hagens Toten-Körperschauen, witzeln Mitarbeiter, seien gegen diese Bilder etwas für Anfänger.

Fünf Jahre wartet das IZW schon auf seinen Tomographen. Das Konjunkturpaket II machte möglich, dass das Gerät nun ein Jahr früher aufgebaut wurde als geplant. Die teure Rechnung zahlte der Bund. Für die Betriebskosten gibt es günstige Kooperationen mit dem Hersteller.

Wildtierforschung wird am Institut großzügig definiert. Kürzlich rückte Paläontologin Daniela Schwarz-Wings aus dem Berliner Naturkundemuseum mit 40 Bambustrommeln voller Dinosaurierknochen an. 1910 wurden die 150 Millionen Jahre alten Stücke in Tansania ausgegraben. Die kleinsten Knochen ließen die Berliner Expeditionsleiter zum Transport in eine schützende "Reisetasche" aus Bambus packen.

Von Saurier-Rippen bis zu Panda-Schwangerschaften

Seit 100 Jahren hat niemand diese gut verschnürten Päckchen geöffnet, denn im Museum gibt es kaum Lagerfläche. Daniela Schwarz-Wings wollte aber immer schon wissen, was da drin ist. Der Tomograph brachte Klarheit: die Halsrippe eines Brachiosaurus, Wirbel und Wadenbein eines Gazellensauriers. Einige Bambustrommeln will die Wissenschaftlerin nun doch öffnen. Die Knochen können die Museumssammlung gut ergänzen.

Tierarzt Thomas Hildebrandt möchte mit Hilfe des Geräts auch so manches Geheimnis lüften: Wie können Elefanten mit ihren Füßen und dem Rüssel Schallwellen im Boden wahrnehmen? Warum werden seltene Wildtiere wie die Pandas im Berliner Zoo einfach nicht trächtig? Sein Kollege Guido Fritsch hat aber auch nichts dagegen, wenn Berliner einen CT-Termin für ihr krankes Haustier machen. Das kostet Herrchen oder Frauchen dann jedoch mehrere hundert Euro.

dpa