Die spielerische Fehlleistung des Teams wird von zwischenmenschlichen Dramen flankiert. Spätestens seit dem Rauswurf von Equipe-Spieler Nicolas Anelka am vergangenen Sonntag ist das Verhältnis zwischen Trainer Raymond Domenech und der Mannschaft irreparabel zerstört. Auf dem Flug nach der Niederlage gegen Mexiko soll es zwischen Franck Ribery und Joann Gourcuff zu einer Schlägerei gekommen sein und auf den Rausschmiss von Anelka reagierte die Mannschaft am Sonntag kollektiv mit Trainingsverweigerung.
Moralisches Desaster
Die Sache ist mittlerweile zu einem Politikum geworden. Sportministerin Roselyn Bachelot wurde im Auftrag von Staatspräsident Nicolas Sarkozy am Montag nach Bloemfontein geschickt, um dort zwischen den Fronten zu vermitteln und ein Machtwort zu sprechen. Auf der anschließenden Pressekonferenz schien die Welt allerdings noch weniger in Ordnung als zuvor. Da Trainer Domenech niemanden neben sich sehen wollte, fand sie ohne Beteiligung eines einzigen Spieler statt und Ministerin Bachelot lies ihrem Ärger freien Lauf: "Es ist ein moralisches Desaster für den französischen Fußball. Die Spieler haben das Image angekratzt. Sie können nicht länger die Helden unserer Kinder sein."
Die Reaktionen aus der Grande Nation reicht von ungehalten bis verzweifelt. Staatspräsident Sarkozy findet die Situation "Inakzeptabel", Einwanderungsminister Eric Besson fordert ein sofortiges Endes dieses "Mummenschanzes", Ex-Trainer Aime Jacquet verkündet den Tränen nahe: "Tiefer kann man nicht stürzen". Ex-Nationalspieler Makelele empört sich: "Mein Gott. Man muss doch das Nationaltrikot respektieren." Für Stéphane Mandard, Sportjournalist bei "Le Monde", ist die Entwicklung im französischen Team nichts Neues. Am Montag sagte er der Stuttgarter Zeitung: "Seit der Euro 2008 bilden 'Les bleus' keine Mannschaft mehr, sondern sind nur eine Horde Individualisten mit einem übergroßen Ego, die keinen Respekt und kein Gefühl dafür haben, was es heißt, für die französische Nationalmannschaft zu spielen."
Traurige Bilanz
Genau hierin scheint das Problem dieser Mannschaft zu liegen – am fehlenden Gemeinschaftsgefühl. Das ist allerdings kein Grund, mit der Mannschaft hart ins Gericht zu gehen, meint der französische EU-Parlamentarier Daniel Cohn-Bendit. Er sieht in ihr lediglich ein Spiegelbild der französischen Gesellschaft. "Die Banlieues werden abgehängt, die Schere zwischen Arm und Reich wird größer. In dieser Situation macht sich Individualismus breit." Die aktuelle Krise ist eine traurige Bilanz für den Weltmeister von 1998. Einst galt das Team als Paradebeispiel für eine gelungene Integration. Spieler mit afrikanischen, arabischen und französischen Wurzeln in friedfertiger Eintracht.
Wer an dem Desaster letztlich die meiste Schuld trägt, wird in Frankreich noch zu einigen Diskussionen führen. Medien und Politiker fordern mittlerweile sogar den Rücktritt der gesamten Spitze des nationalen Fußballverbands FFF. Lange blieb unklar, welchen Kader Trainer Raymond Domenech zum Spiel gegen Südafrika aufstellen könnte. Am Ende standen zumindest elf Spieler auf dem Feld in Bloemfontein. Und immerhin gibt es ja noch Zinedine Zidane. Zwar nicht als Spieler, aber als mentale Stütze. Der Ex-Weltmeister glaubt noch immer an die Equipe Tricolore: "Auch wenn das viele zum Lachen bringen sollte: Ich hoffe, Frankreich noch im Finale zu sehen. Alles bleibt möglich."