"Eine effektive afghanische Regierung benötigt Ressourcen, um sich selbst tragen und seinem Volk wirksame Leistungen bieten zu können", sagte US-Außenamtssprecher Philip Crowley laut einer Mitteilung von Dienstag in Washington. Die Erkenntnis, dass in dem kriegsgebeutelten Land Bodenschätze im Wert von fast einer Billion Dollar (830 Milliarden Euro) unter der Erde ruhen, sei daher eine "willkommene Entwicklung".
Politische Kommentatoren bezeichneten den Fund am Dienstag als möglichen Wendepunkt in dem Krieg am Hindukusch. Die USA hätten jetzt die Möglichkeit, den Afghanen eine neue Perspektive zu bieten, sagte Patrick Doherty, Direktor der Denkfabrik Smart Strategy Initiative, dem Fernsehsender CNN. Der Fokus könne von einem wenig versprechenden Anti-Terror-Krieg weg bewegt werden, hin zu einer militärischen Maßnahme für den Aufbau einer gesunden Wirtschaftsnation.
Schlechte Infrastruktur
Auch Crowley nannte einen wirtschaftlichen Auftrieb "fundamental für die Zukunft Afghanistans". Es werde allerdings noch Jahre dauern, bis das wertvolle Lithium und die anderen Metallvorkommen tatsächlich zu Geld gemacht werden könnten. Es gebe dabei zahlreiche Herausforderungen, die jedoch überwunden werden könnten - zum Beispiel die schlechte Infrastruktur in dem Land und der Widerstand radikalislamischer Terrorgruppen in den Gebieten, wo viele der Bodenschätze vermutet werden.
Das neue Interesse für die Bodenschätze kann auch nach Auffassung des Politik-Experten Volker Perthes zur Bewältigung des Konflikts beitragen. "Die Meldungen vor allem über Lithium-Vorkommen haben das Interesse dafür geweckt, sich Afghanistan mal nicht nur unter dem Aspekt Revolution, Aufstand, Aufstandsbekämpfung, Bürgerkrieg anzugucken, sondern auch die Chancen zu sehen", sagte der Leiter der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik der Nachrichtenagentur dpa.
"Nachhaltige Rohstoffausbeutung braucht wie die Entwicklung der Gesellschaft auch Frieden und Stabilität", sagte Perthes. Andererseits könnten ausländische Investitionen helfen, den Konflikt zu beenden. "Wenn die Bevölkerung merkt, dass ein Teil der Gelder zurückfließt, kann das dazu beitragen, dass das Land stabilisiert wird", sagte der Experte.
Viele offene Fragen
Der Afghanistan-Experte der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, Arvid Bell, sah dagegen noch viele offenen Fragen. "Wer wird wann und wie beginnen, die Rohstoffe zu erschließen? Gibt es jemanden, der da investieren möchte? Wie stellt man sicher, dass das Geld bei der Bevölkerung ankommt?", sagte er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Schließlich sei Afghanistan nach einem Bericht von Transparency International das zweitkorrupteste Land der Welt.
Am Montag war bekannt geworden, dass in der afghanischen Erde nach Erkenntnissen von US-Forschern ein ungeheurer Schatz schlummert. Lithium und andere Metallvorkommen im Wert von knapp 1000 Milliarden Dollar (830 Milliarden Euro) überträfen alle bisherigen Schätzungen, berichtete die "New York Times" am Montag. Sie könnten die bislang von Opiumproduktion und Hilfsgeldern abhängige Wirtschaft komplett sanieren und auch dem Krieg eine neue Richtung geben, meinen hohe US- Regierungsbeamte.
"Für Afghanistan ist das (...) die vielleicht beste Nachricht der letzten Jahre", sagte der Sprecher des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai, Waheed Omar, am Montag in Kabul. Zugleich betonte er, dass die Studie im Auftrag seiner Regierung erstellt worden sei.
"Saudi-Arabien für Lithium"
In einem internen Pentagon-Papier wird Afghanistan dem Bericht zufolge bereits als das "Saudi-Arabien für Lithium" bezeichnet. Neben dem für die Computer-und Handyindustrie wichtigen Leichtmetall gebe es riesige Vorräte an Eisen, Kupfer und Gold, zitierte die Zeitung hochrangige US-Regierungsbeamte weiter. Die Vorkommen reichten, um Afghanistan in ein weltweit führendes Bergbau-Zentrum zu verwandeln.
"Alle Afghanen werden langfristig (von den Bodenschätzen) profitieren", sagte Präsidentensprecher Omar weiter. "Wir hoffen aber auch, dass diese Nachricht das afghanische Volk vereint." Vor allem die Armut, einer der wesentlichen Gründe für die Konflikte im Land, könne durch die neuen wirtschaftlichen Chancen überwunden werden.
So erfreulich die Nachricht über den Reichtum im Boden ist - US- Offizielle sind sich den Angaben zufolge auch im Klaren, dass der Fund ein zweischneidiges Schwert ist. So könnten die Taliban noch erbitterter um die Kontrolle über das Land kämpfen. Denkbar sei auch, dass sich die Korruption weiter ausbreitet. Erst voriges Jahr hatten die USA dem afghanischen Bergbauminister vorgeworfen, für die Erlaubnis zur Ausbeutung von Kupfervorkommen von China 30 Millionen Dollar (25 Millionen Euro) an Schmiergeld angenommen zu haben. Zudem könnte ein Streit zwischen den Provinzen, der Zentralregierung und Stammesfürsten um die Bodenschätze entbrennen.
Afghanistan zählt zu den ärmsten Ländern
Die Vorbereitungen laufen derweil schon. Das US-Verteidigungsministerium helfe den Afghanen, ein Bieterverfahren für die Ausbeutungsrechte auf den Weg zu bringen. "Das Bergbau-Ministerium ist dazu noch nicht in der Lage", meint ein Beamter der zuständigen Abteilung des Pentagons.
Das kriegszerrissene Land ist laut Internationalem Währungsfonds eine der ärmesten Nationen der Welt. 2008 lag das jährliche Einkommen pro Kopf bei 425 Dollar. Bei den meisten Entwicklungsstatistiken rangiert das Land weit hinter seinen Nachbarstaaten.
Die Vorarbeit zu der Entdeckung leisteten den Angaben zufolge sowjetische Geologen während der Besatzung in den 80er Jahren. Nach dem Abzug versteckten afghanische Experten die Karten und Daten über die Vorkommen zunächst und brachten sie nach dem Sturz der Taliban 2001 in offizielle Dokumentensammlungen zurück. Dort fanden US- Geologen die Aufzeichnungen 2004 und stellten auf dieser Basis eigene Forschungen an. Doch sollte es noch einmal bis 2009 dauern, bis eine Pentagon-Abteilung zur Wirtschaftsförderung auf die Erkenntnisse aufmerksam wurde, sie von Bergbau-Experten noch einmal prüfen ließ und schließlich US-Verteidigungsminister Robert Gates und den afghanischen Präsidenten Karsai unterrichtete.