Studie: Religiosität fördert Gewaltbereitschaft

Studie: Religiosität fördert Gewaltbereitschaft
Eine neue Studie stellt einen Zusammenhang zwischen Religiosität und Gewaltbereitschaft bei jungen Migranten her. Kirchenamtspräsident Barth warnt vor falschen Folgerungen.

Nach einer neuen Studie über das Verhältnis von Gewalttätigkeit und Religiosität hat der evangelische Kirchenamtspräsident Hermann Barth vor verkürzten Schlussfolgerungen gewarnt. Kurzformeln stünden in der Gefahr "schädliches Misstrauen gegen alles Muslimische" sowie pauschale Verdächtigung und Ausgrenzung zu verstärken, sagte Barth am Montag dem epd. Der Präsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) warb für eine differenzierte Bewertung der Befunde. Zugleich empfahl er, beunruhigende Ergebnisse nicht zu verdrängen.

Aus der am Wochenende bekannt gewordenen Erhebung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen ergibt sich, dass es einen Zusammenhang zwischen Gewaltbereitschaft und zunehmender Religiosität unter muslimischen Jungen gibt. Für die Studie wurden 2007/2008 bundesweit in 61 Städten und Landkreisen rund 45.000 Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren befragt, darunter 10.000 jugendliche Zuwanderer. Vor allem männliche Jugendliche aus muslimischen Zuwanderer-Familien zeigten mit zunehmender Intensität ihrer religiösen Praxis eine wachsende Gewaltbereitschaft, lautet eines der Resultate.

Indirekter Zusammenhang

Der federführende Autor, der Kriminologe Christian Pfeiffer, spricht von einem "indirekten" Zusammenhang zwischen Gewaltbereitschaft und Religiosität. Einflussfaktoren dabei seien ein in der islamischen Kultur noch weithin vorherrschendes Bild von Männlichkeit, das Gewalt rechtfertige, die familiären Strukturen, sowie die Rolle der Imame. Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) sagte laut Zeitungsberichten, dass die Ergebnisse der Studie in die Beratungen der Deutschen Islamkonferenz Eingang finden sollten.

Der Befund, dass evangelische und katholische Jugendliche bei steigender Religiosität weniger Gewalttaten begehen, wertete Barth als Ermutigung für alle, die in Erziehung, Religionsunterricht oder Jugendarbeit an der Orientierung von jungen Menschen mitwirkten. Diese Anstrengungen seien nicht vergeblich, sondern hinterließen Spuren. "Christlich geprägte Jugendliche sind vielleicht nicht besser als ihre Altersgenossen, aber anders", folgert Barth.

Wandlung des Islam

Dieses Anderssein dürfte aber nicht dazu führen, sich gegenüber den Muslimen wie die biblischen Pharisäer (selbstgerechte Schriftgelehrte) zu verhalten, mahnt der EKD-Kirchenamtspräsident. Auch die christliche Lehre habe lange Zeit die Herrschaft des Mannes und häusliche Gewalt gerechtfertigt. Vom Islam könne nicht erwartet werden, dass er in wenigen Jahren oder Jahrzehnten eine Wandlung durchläuft, für die die Kirche Jahrhunderte benötigt hätte, gibt der Theologe zu Bedenken.

epd